Projekte laufen selten wie geplant. Das weiß jeder Projektmanager aus der Praxis. Zahlreiche Planungstools versprechen Abhilfe. Gerade Anfänger vertrauen auf diese Unterstützung. Die passende Software – und man hat alles im Griff. Doch die meisten Probleme in Projekten lauern ganz woanders.
Martin F. hatte schon so manches erlebt. Projektleitungen macht er seit vielen Jahren. Aber dieses Großprojekt trieb ihn fast zur Verzweiflung. Die 110 KW-Leitung, die wider Erwarten durch die Baugrube führte und aufwändig verlegt werden musste, war noch das geringste Problem. Mitten in der Bauphase kamen erst die Architekten mit umfangreichen Änderungen, dann machte ein Lieferant Pleite – was beides zu Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen führte. Das wiederum rief die Lokalpolitiker auf den Plan. Und wie zu erwarten natürlich auch die Presse. Dabei hätte es doch so schön sein können. Alltag in Großprojekten. „Geht’s auch etwas kleiner?“ Puh.
Auch in kleineren Projekten geht selten alles nach Plan. Die Hoffnung, dass sich das durch bessere Planungstools ändern könnte, ist ein frommer Wunsch mit wenig Aussicht auf Erfolg. Und das liegt meist nicht daran, dass die Planung schlecht ist, sondern schlicht daran, dass sich komplexe Systeme nicht wie eine Maschine steuern lassen. Je mehr Variabeln, je mehr Beteiligte, umso wahrscheinlicher wird die Planung zu einem dynamischen Prozess. Bauvorhaben sind dabei noch die leichteste Übung, da sich das Endergebnis detailgetreu vorwegnehmen lässt.
Richtig spannend wird es bei Produktentwicklungen, Umstrukturierungen von Firmen und dem Aufbau neuer Geschäftsfelder. Gerade Change-Projekte sind dynamische Prozesse, die eine Menge Kreativität, Spontaneität und Improvisationstalent erfordern – und vor allem kommunikative Kompetenz. Change Manager ohne Social Skills sind wie Chirurgen ohne Skalpell. Ohne geht nix. Führungskompetenz, Konfliktfähigkeit und Ausdauer sind essentiell. Projektmanagement ist ebenso wie Change-Management wie die Navigation auf offener See mit allen Widrigkeiten: Sturm, schlechte Sicht, hohe Wellen.
Und: Wer ein System verändern will, wird dessen Trägheitsmomente erfahren. Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit sind gute Tugenden, um sich im Prozess selbst zu stabilisieren und die Menschen mitzunehmen. Veränderungsprozesse schaffen Unsicherheit und erzeugen unweigerlich Friktionen und Fehler. Letztere zuzulassen, ist unumgänglich. Strategien der strikten Fehlervermeidung in Änderungsprozessen wirken Veränderung entgegen, denn sie begünstigen eher den Rückfall in die alten Muster. Buchhaltermentalität ist hier nicht gefragt. Wer Projekte anschieben will, muss mit Friktionen und Reibungsverlusten leben. Besser noch: Er oder sie muss das Balancieren auf oft schmalem Grat und das Jonglieren mit mehreren Bällen gleichzeitig mögen.
„Sollten wir denn nun gar nicht mehr planen?“ Doch, aber mit dem Bewusstsein, dass die Planung kein sakrosanktes Fixum sein kann, wenn die Bedingungen sich ändern. Klarer Zielfokus, aber auch die Bereitschaft, Umwege in Kauf zu nehmen, sind dabei unverzichtbar. Wenn der Wind von vorn kommt, hilft nur kreuzen. Das weiß jeder Segler. Martin F. hat sein Projekt übrigens wieder in den Griff bekommen: Hilfreich waren ihm dabei seine Zielorientierung und Überzeugungskraft, sein Mut zu Entscheidungen und seine Fähigkeit, flexibel auf Probleme zu reagieren. Dazu braucht es keine Software, sondern „Brainware“. „Solange eine Sache Sinn macht, hänge ich mich da rein“, sagt er. Und es hat Sinn gemacht.