„Nein, ich bin völlig normal“, wird jetzt der eine oder die andere sagen. Ein derartiges Persönlichkeitsmerkmal kennen wir meist nur aus der Psychopathologie oder aus abgefahrenen Kriminalfilmen. Dabei sind wir alle multiple Persönlichkeiten. Das ist nämlich keine Störung, sondern eine Kompetenz. Jetzt haben Wissenschaftler empirisch zeigen können, wie sich die Persönlichkeit von Menschen je nach Umweltbedingungen ändern kann.
Gehören Sie zu den Extrovertierten oder den Introvertierten? Sind Sie eher kreativ oder pragmatisch? Persönlichkeitstests versuchen, aus Menschen die Essenz ihres Charakters herauszulesen. „Eher fragwürdig“ urteilen die Organisationspsychologen Jason L. Huang und Ann Marie Ryan in einem Beitrag für die Zeitschrift Personal Psychology. Dass Persönlichkeit keine lebenslange Konstante sein muss, wissen Psychologen schon länger, aber dass sie situativ schwanken kann, scheint eine neue Erkenntnis zu sein. Die Forscher fanden nämlich heraus, dass die Persönlichkeitsmerkmale von Servicemitarbeitern sich teilweise deutlich änderten – je nachdem was sie taten. So schwankten zum Beispiel Extraversion und Verträglichkeit der Mitarbeiter mit der Freundlichkeit ihrer Kunden.
Verwunderlich ist das eigentlich nicht, wenn man neurowissenschaftliche Erkenntnisse in die Betrachtung einbezieht. Unser Gehirn weist eine neuronale Plastizität auf. Synaptische Verknüpfungen sind nicht fest verdrahtet wie die Leitungsbahnen auf einer Elektronikplatine. Zwar gibt es dominante Denk- und Verhaltensmuster, aber auch die können sich ändern – eben je nach der Art und Weise, welchen Anforderungen wir ausgesetzt sind. Das gilt auch für unsere Persönlichkeit. Jeder Mensch hat Teilpersönlichkeiten, deren charakteristische Muster erlernt sind. Und je nach Situation sind wir in der Lage, das eine oder das andere Muster zu aktivieren. Oder eine Neues auszuprobieren. Erweist sich ein neues Muster als nützlicher als ein altes Muster, wird es abgespeichert. Verwenden wir es immer wieder, wird es gestärkt.
Je vielfältiger unsere Erfahrungen, mit verschiedenen Situationen umzugehen, umso flexibler können wir uns meist auch in wechselnden Umgebungen orientieren und angepasst verhalten. Mal agieren wir dann zum Beispiel eher in uns gekehrt, ein anderes Mal extrovertiert. Das lässt sich durch Übung fördern. Jason L. Huang und Ann Marie Ryan raten daher von Persönlichkeitstests ab und empfehlen stattdessen, Mitarbeiter gezielt zu trainieren.
Das ist Wasser auf die Mühlen eines jeden NLPlers. Das NLP kennt nämlich keine Persönlichkeitsmerkmale, wie sie die Psychologie beschreibt. NLP begreift sich als das Studium subjektiver Erfahrung. Unser Gehirn ist so, wie es unsere Erfahrungen geprägt hat – und die sind individuell sehr unterschiedlich. Coaches und Trainer, die mit NLP arbeiten, betrachten diese Erfahrungen als innere Landkarte eines Menschen. Diese weist viele Facetten auf. Das NLP geht davon aus, dass jeder Mensch zahlreiche Teilpersönlichkeiten besitzt. Diese Grundannahme wird inzwischen durch die Neurowissenschaften und neuere psychologische Erkenntnisse gestützt. NLP-Coaches und Trainer fördern gezielt jene Persönlichkeitsanteile ihrer Klienten, die nützlichere Denk- und Verhaltensmuster hervorbringen. Dabei steht das Lernen am Modell im Vordergrund.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass sie eine multiple Persönlichkeit sind, dann seien Sie ganz beruhigt. Besser noch: Seien Sie stolz darauf!
Quelle: Wirtschaftspsychologie aktuell
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