Immer mehr Burnout-Fälle werden von Ärzten als Depressionen diagnostiziert und behandelt. Dabei sind die Ursachen für Depressionen vielfältig. Daher ist der Fokus auf die Symptomatik aus meiner Sicht wenig nützlich. Mir stellt sich eher die Frage: Was können Menschen tun, um den Absturz vorzubeugen?
Eine Frau, Volljuristin, Leiterin einer Behörde, Mutter und voll engagiert, erleidet einen Schwächeanfall. Ihr Arzt diagnostiziert Burnout. In einer Klinik attestiert man ihr dann eine schwere Depression. Mit dieser Geschichte eröffnet der SPIEGEL seine Titelgeschichte zum Thema „Die gestresste Seele“. Weitere Fälle werden geschildert, in denen sich Burnout als Depression entpuppt. Dazu muss man wissen, dass Burnout keine anerkannte Kategorie psychischer Erkrankungen nach der Internationalen statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) ist. Alles, was ärztlich diagnostiziert und behandelt werden will, braucht einen Namen. Burnout ist in dieser Sphäre aber eine unbekannte, unscharfe Bezeichnung. Und was nicht passt, wird passend gemacht.
In der Tat: Depressionen sind häufige Symptome eines Burnout. Aber das Symptom sagt sehr wenig über die Ursache aus und bietet auch kaum Perspektiven für Lösungen. Hilfreicher wäre es nach meiner Auffassung, Menschen lösungsorientiert dabei zu unterstützen, Wege aus dem Tal zu finden. Der SPIEGEL fragt, wo die Grenze zwischen gesund und krank sei? Aber hilft die Dichotomie von gesund und krank wirklich weiter? Ich würde fragen: „Was hilft betroffenen Menschen, ihre Ressourcen wieder zu aktivieren und ihre Lebensbalance erneut zu finden?“
Aber mein Fokus als Coach liegt weniger auf dem Absturz, sondern auf der Phase davor. Denn wenn jemand ein Burnout erlitten hat, sind Mediziner und Psychotherapeuten gefragt, weniger Coaches.
An anderer Stelle hatte ich schon über das Konzept der Salutogenese berichtet. Der Psychotherapeut Aaron Antonowsky hatte es nach seiner Untersuchung von KZ-Opfern entwickelt. Er fragt nicht, was Menschen krank macht und wie man Leiden behandelt. Antonowsky fragt, was Menschen psychisch stabil hält. Daran angelehnt einige Empfehlungen für Menschen mit stressgeprägter Lebensführung.
1. Bewahren oder verschaffen Sie sich ein Verständnis von ihrem Lebensumfeld, das sie belastet. Situationen zu begreifen, Strukturen zu verstehen, Erwartungen und Motivationen anderer Menschen zu erfassen, sind hilfreiche Versuche, sich besser zu orientieren. Wer in einem fremden Gewässer segelt, sollte die Seekarte gut kennen.
2. Reduzieren Sie dabei aber Komplexität und konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche. Laden Sie auch Ballast ab, delegieren Sie oder suchen Sie sich Unterstützung durch Andere. Mehrfachbelastung in Job und Familie sind potentielle Stressoren.
3. Vermeiden Sie Problemkreisläufe, die sich zu regelrechten Problemtrancen entwickeln können. Das führt Sie eher weiter abwärts. Suchen Sie stattdessen nach handhabbaren Lösungen. Wie auch immer diese aussehen, es werden Lösungen jenseits Ihrer bisherigen Pfade sein. Dort wo das Problem liegt, werden Sie keine Lösungen finden. Perfektionismus ist dabei übrigens meist ein schlechter Ratgeber. Mut zur Veränderung bedeutet auch Mut zu Fehlern.
4. Stellen Sie sich die Frage nach dem Sinn dessen, was Sie gerade tun und begeben Sie sich auf eine innere Reise nach dem, was für Sie Sinn machen würde. Wenn Sie sich auf das „besinnen“, was Sie antreibt, was Ihnen Spaß macht oder was für Sie wirklich wichtig ist, dann aktivieren Sie innere Motivatoren, die Ihnen als wichtige Ressource dienen können, um auch schwierige Herausforderungen zu meistern.
5. Seien Sie achtsam mit sich selbst. Wer immer nur akribisch auf seine Aufgaben und auf Andere fokussiert ist, verliert oft den Kontakt zu sich selbst. Selbstachtsamkeit ist aber eine Voraussetzung für gesunde Lebensführung. Häufige Nervosität, Gereiztheit, das Gefühl des Getriebenseins, Schlaflosigkeit, ja sogar Rückenschmerzen und andere körperliche Symptome können Stresssymptome und Vorboten eins Burnout sein. Höchste Zeit, die Bremse zu ziehen. Sie sollten es sich wert sein.
Selbstreflexion ist also angesagt. Dazu sollten Sie zumindest zeitweilig aussteigen aus der Tretmühle oder dem Hamsterrad. Die Mittagspause reicht dafür nicht aus. Sie sollten Ihr Gehirn in einen Modus bringen, in denen es herunterfahren und Stress reduzieren kann. Ein Mix aus Entspannung und körperlicher Bewegung ist nach allen Erfahrungen dafür außerordentlich hilfreich. Das kann zum Beispiel ein Wanderwochenende in den Bergen oder ein Segeltörn sein.
Wenn Ihnen all das aus eigenem Antrieb nicht so leicht gelingt, dann wäre professionelle Unterstützung angesagt. Solange Sie noch über einen guten Rest an Selbstwirksamkeit verfügen, ist professionelles Coaching eine gute Methode, um Ihnen Wege aus der Stressfalle zu ebnen. Im Falle eines akuten Burnout, sollten Sie aber in jedem Fall einen Arzt oder Psychotherapeuten aufsuchen. Nur lassen Sie sich nicht einreden, Sie seien psychisch krank. Burnout ist eine Kompetenz, wie Gunther Schmidt so schön sagt. Es ist die Kompetenz Ihres Körpers, den Stecker zu ziehen, bevor der Stress Sie umbringt. Aber soweit sollten Sie es nicht kommen lassen.
Neue Bücher zum Thema:
Väth, Markus (2011): Feierabend hab ich, wenn ich tot bin. Warum wir im Burnout versinken. Offenbach: GABAL.
Rössler, Julitta (2012): Raus aus Hamsterrad und Tretmühle: Erkenntnisse der Hirnforschung für den Job. Freiburg i. Br.: Kreuz-Verlag.
Dass Selbstreflexion uns vor Vielem schützen kann, dem schließe ich mich an.
Vor einiger Zeit hörte ich die Theorie, dass ein Burnout zu den depressiven Erkrankungen zählt. Aber wahrscheinlich ist sich sogar die Fachwelt noch nicht ganz einig…
Das Problem der Einordnung von Burnout unter Depression habe ich ja eingangs im Beitrag beschrieben. Depression ist ein Symptom. Burnout ein Syndrom, aber eben ohne bisher anerkannte Klassifizierung.