Anleitung zur Demotivation: Management by Deficits

Hammer“Fischer, das war großer Mist! Ihnen fehlt die nötige Motivation.” So oder ähnlich klingen die wertschätzenden Feedbacks von einigen Chefs, wenn mal etwas nicht nach ihrer Nase läuft. Immer noch herrscht in vielen Deutschen Firmen eine Kultur des Niedermachens. Aber auch das will gekonnt sein. Eine Anleitung.

Regelmäßig, wenn ich in meinen Workshops Führungskräfte nach dem Zweck von Feedback frage, erhalte ich die Antwort „Beurteilung des Mitarbeiters.“ Ich kann mir nicht helfen, aber Beurteilung klingt für mich immer nach Urteil. Und so läuft es dann oft eben auch in der Praxis. Als ich neulich im Flieger neben einem englischen Manager mit Arbeitsplatz in München saß, unterhielten wir uns über deutsche Firmenkultur. Er fand, dass Deutschland mit seiner Hierarchiefixierung ein wenig „outdated“ sei. Ich habe ihn beruhigt mit der Antwort. „Aber im Vergleich zu China …“ Aber müssen wir uns hier mit China vergleichen? Sind wir schon so weit? Verknöchert und steif im Denken des 19. Jahrhunderts verhaftet?

Hier mal eine Auswahl der Unmöglichkeiten:

  • Chef kanzelt eine Mitarbeiterin in Gegenwart von Kollegen ab und hält ihr eine Standpauke, wie man effektiver arbeitet.
  • Manager zählt nach einem gescheiterten Projekt die gesamten Defizite und Fehler des verantwortlichen Mitarbeiters auf, welche dieser sich in seiner Laufbahn bisher geleistet habe.
  • Chef wartet mit aufmunternden Glaubenssätzen auf: „Kein Wunder, dass das nicht geklappt hat. Ingenieure können sowieso nicht verkaufen.“
  • Oder noch besser: Manager als Biologen: „Ihnen steckt der Misserfolg wohl schon in den Genen.“

Beispiele wertvollen Feedbacks, besonders hilfreich für die Stressabfuhr – des Chefs. Immer raus mit den Emotionen, koste es, was es wolle. Erfunden? Keineswegs. Alles Beispiele deutscher Unternehmenskultur. Und dass wir immerhin noch besser sind als die Chinesen, stimmt auch nicht, denn in Asien pflegt man einen wertschätzenderen Umgang, bei dem das Wahren des Gesichtes (des eigenen und des Gegenübers) immer im Vordergrund steht. Dort vermeidet man eher direktes Feedback, was auch nicht gerade angemessen ist. Denn Feedback ist immerhin eine Hilfe, die eigene Wahrnehmung zu erweitern. Zumindest könnte es das sein.

Nicht so bei Direktor Superman. Da werden die Schwächen des Mitarbeiters gnadenlos offengelegt (wir sind ja für Transparenz) und die eigenen Stärken aufpoliert. „Wissen Sie, als ich in Ihrer Position war, da hatte ich deutlich mehr Biss.“

Immer wieder bin ich erstaunt über die Schwerfälligkeit im Lernen bei manchen Managern, denn diese Muster funktionieren ja nicht. Sie führen immer wieder zu den gleichen Ergebnissen. Das geht dann so: „Da mach ich dem Meyer nun seit Monaten Druck, schau ihm ständig über die Schulter, klopfe ihm auf die Finger und der ist immer noch nicht mehr motiviert.“ Besonders interessant ist es aber, wenn Chefs sich dann selbst als Opfer sehen, und der Mitarbeiter ist Schuld dran: „Schulze, Ihre Performance raubt mir den letzten Schlaf.“

Aber sei’s drum. Hier nun zehn Tipps für Manager, die die Motivation Ihrer Mitarbeiter garantiert in den Keller befördern wollen.

  1. Nehmen Sie die Richtige Haltung ein. Ein gesundes Misstrauen ist immer gut. Außerdem ist es wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiter für grundsätzlich unfähig halten. Das ist gesunder Pessimismus, der Sie vor zu großen Enttäuschungen bewahrt.
  2. Kontrollieren Sie so oft Sie können und schicken Sie Ihren Leuten möglichst viele Nachrichten per SMS und Email, die sie an ihre Aufgaben erinnern. Dies vor allem auch in Meetings, am Wochenende und im Urlaub, damit ja keiner auf die Idee kommt, er würde von Ihnen nicht die entsprechende Aufmerksamkeit erfahren. Sie haben schließlich eine Fürsorgepflicht.
  3. Beachten Sie die zentralen Grundbedürfnisse. Das menschliche Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit sollten Sie ganz gezielt unterwandern, indem Sie möglichst ein Klima der Konkurrenz schaffen. Teamwork war gestern. „Teile und herrsche“ war schon ein probates Führungsinstrument bei den alten Römern. Fördern Sie das Hauen und Stechen unter den Mitarbeitern. Vergütungssysteme mit hohem Erfolgsanteil sind dazu bestens geeignet, vor allem dann, wenn Sie außerdem die Mitgestaltungsmöglichkeiten der MA kurz halten. Da haben Sie Gockelkampf und Zickekrieg garantiert. Herrlich. Das Grundbedürfnis nach Selbstwertschutz und Selbstwerterhöhung lässt sich sehr einfach durch herablassende Bemerkungen über die Fähigkeiten und das Aussehen des MA erschüttern. Seien Sie dabei kreativ und zeigen Sie Weitsicht. Stellen Sie z.B. Vermutungen über die mangelnde genetische Grundausstattung der Fachkraft an. Damit zeigen Sie eindrucksvoll, dass sie auch in anderen Genres zu Hause sind.
  4. Wenn etwas schief läuft, dann schauen Sie vor allem zurück, nie nach vorn. Nie. Lösungsorientierung ist so ein Psychoquatsch von Coaches und anderen Weicheiern. Listen Sie dem Versager oder der Versagerin seine/ihre Unzulänglichkeiten detailliert auf. Schildern Sie seine/ihre Probleme in den schillernsten Farben. Visualisieren Sie und achten Sie dabei auch auf überzeugende Körpersprache. Anheben der Stimme und durchdringender Blick sind nur einige der Register, die Sie ziehen können. Nur so stellen Sie sicher, dass ein hoffnungsvoller Blick nach vorn fast unmöglich ist.
  5. Fokussieren Sie immer auf Defizite, nie auf Ressourcen oder Potentiale des Mitarbeiters. Man muss seine Fehler kennen, sich dazu bekennen und das möglichst regelmäßig. Und wer es nicht kann, braucht dann eben Nachhilfe vom Chef. Vermeiden Sie vor allem Anerkennung und Lob. Das könnte den MA zu der irrigen Annahme führen, dass er doch Potentiale hat.
  6. Machen Sie ordentlich Druck. Ein gehöriges Maß an Überforderung sorgt für den passenden Stresslevel, der Kreativität, Motivation und das Gefühl von Selbstwirksamkeit nachhaltig untergräbt. Und immer dann, wenn Ihr MA glaubt, er hätte alles im Griff, setzen Sie noch eins drauf. Soll keiner glauben, er könnte mit Ihnen auf Augenhöhe kommunizieren.
  7. Lassen Sie Mitarbeiter ihre Probleme auf keinen Fall alleine lösen. Das könnte Ihre Autorität als Chef vollständig untergraben. Werden Sie nicht nur als Antreiber, sondern auch als Retter tätig. Damit zeigen Sie, wie flexibel Sie Rollen wechseln können. Fragen Sie gar nicht lange nach Lösungsvorschlägen, sondern machen Sie selber welche. Und drängen Sie diese den Mitarbeitern möglichst auf. Das zeigt Ihre Kompetenz und Führungsstärke.
  8. Fordern Sie Commitment ein. Sie können von Ihren MA uneingeschränktes Vertrauen erwarten. Zögern Sie nicht, beleidigt zu reagieren, wenn Ihnen das nicht entgegengebracht wird. Derartige Unverschämtheiten müssen Sie sich nicht bieten lassen, bei all dem Einsatz zum Wohl Ihrer Leute. Sprechen Sie das offensiv an und drohen Sie mit ernsthaften Konsequenzen, z.B. Entzug von Boni und Unterstützung.
  9. Kommunizieren Sie Ihren unermüdlichen Einsatz für Ihre Leute auch nach außen. Wenn ein MA wider Erwarten doch mal ein goldenes Ei legt, dann zögern Sie nicht, Ihren fördernden Anteil darzulegen. Und das überzeugend. Schließlich war es ja vor allem Ihr Verdienst, nicht wahr?  Auch hier: Achten Sie auf Ihre Stimme und Körpersprache.
  10. Geben Sie nie auf. Wenn Sie die obigen Vorschläge befolgen, können Sie gewiss sein, dass Ihre Befürchtungen über die Unzulänglichkeiten Ihrer Mitarbeiter tatsächlich eintreten. Das schafft Ihnen Bestätigung. Und die brauchen wir doch schließlich alle, oder?

 

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