Es funkt mal wieder in der Belegschaft. Brandgefahr. Es ist eines der üblichen Themen: Nach Umbauten steht die Neuverteilung der Räume an, und die Mitarbeiter können sich nicht einigen, wer mit wem … . Die Positionen sind so festgezurrt, dass der Chef ein Machtwort sprechen muss. Oder geht es auch anders? Anita von Hertel zeigt es Ihnen.
Gerade sitze ich im Zug nach Frankfurt und habe das Buch „Professionelle Konfliktlösung“ dabei. Aus gegebenem Anlass. Demnächst steht wieder das Thema Konflikte in einigen Workshops an. Anita von Hertel ist Wirtschaftsmediatorin und anerkannte Ausbilderin mit eigener Akademie in Hamburg. Vor fünf Jahren hatte ich das Vergnügen Anita auf dem DVNLP-Kongress in München kennen zu lernen. Dort hielt sie ein bemerkenswertes Seminar zum Thema Mediation. Dieses Jahr ist ihr Buch in der dritten Auflage erschienen. Es ist nicht zuletzt ihr Verdienst, dass wir seit 2012 in Deutschland ein Mediationsgesetz haben, das Konflikt neben der gerichtlichen eine außerjuristische, aber ebenso verbindliche Konfliktlösungsmöglichkeit anbietet.
Die Autorin zeigt in ihrem Buch auf, wie Führungskräfte mit Mediationskompetenz führen können. Das mag zunächst wie ein Widerspruch klingen, denn normalerweise sind Mediatoren externe und daher unbefangene und allparteiliche Helfer bei der Lösung von Konflikten. Aber können Führungskräfte Konflikte im Unternehmen mediativ lösen? Sie können. Allerdings kann das nur gelingen, wenn sie nicht selbst Teil des Problems sind.
Bei Mediationsgesprächen kann es hoch hergehen. Oft sind die Gemüter überhitzt und die Konfliktparteien befinden sich in einer Konflikttrance. Kein Entrinnen in Sicht. Die Kunst eines guten Mediators besteht darin, zum einen die Befindlichkeiten wertschätzend zu behandeln und zum anderen die Parteien zu einer einvernehmlichen, guten Lösung zu führen. Um im Gewirr von Emotionen, Positionen, Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen den Faden nicht zu verlieren, macht es Sinn, den Mediationsprozess zu strukturieren. Einfachheit geht hier vor Komplexität. So stellt die Autorin den Mediationsprozess Schritt für Schritt anhand des ALPHA-Schemas dar. Nach einer verbindlichen Auftragsklärung (was wollen die Parteien in der Mediation erreichen?) wird die Lise der Themen besprochen. Das sind die Dinge, die den Medianten „auf den Nägeln brennen“ und der Klärung bedürfen. Oft dominieren unvereinbare Positionen den Konflikt. Es ist die Kunst einer guten Mediation, die Interessen und Bedürfnisse dahinter ans Licht zu bringen. Die Frage heißt nicht „wer ist schuld?“, sondern: Worum geht es wirklich? Erst danach können die Parteien ihr Heureka erleben. Die Lösung ist manchmal offensichtlich, fast banal. Oft genug erfordert die Suche danach aber Kreativität, „ein um die Ecke denken“, aber in jedem Fall Flexibilität.
Anita von Hertel gelingt es, sehr kompetent, einfach und mit einem Schuss Humor, den Leser durch den Mediationsprozess zu führen. Ihre langjährige Erfahrung als Mediatorin und Mediationsausbilderin kommt ihr dabei sehr zu Gute. Das Buch ist reich an Beispielen, die den Mediationsprozess schon beim Lesen erlebbar machen. Den Erläuterungen zum Prozess wird stets ein Fallbeispiel an die Seite gestellt.
Das Buch wird von dem Leitgedanken getragen, dass Konfliktlösung selbst bei schwierigen Konfliktkonstellationen möglich ist, sofern die Medianten eine Lösung wollen. Auch wenn die Parteien vieles trennt, so haben sie doch den Konflikt gemeinsam. So werden Streitende zu Partnern. Führung gewinnt hier eine neue Dimension. Es nicht der Basta-Stil, der hier mit einem Machtwort dominiert, und es ist auch noch die häufig anzutreffende Haltung „regelt Euren Konflikt selbst“. Eine mediativ handelnde Führungskraft wirkt in Konflikten als Geburtshelfer für gute Lösungen. Hier geht es daher um wesentlich mehr als um einen Leitfaden für Führungskräfte, hier geht es gewissermaßen um eine Revolution in der Firmenkultur – sollte es gelingen, mediative Führung in Firmen flächendeckend zu etablieren. Auch aus diesem Grund sei dieses Buch angehenden wie erfahrenen Führungskräften sehr empfohlen.
Hertel, Anita von (2013): Professionelle Konfliktlösung. Führen mit Mediationskompetenz. Frankfurt/Main: Campus-Verl. , 3. überarb. Auflage, 328 S.