Was taugen Erfolgsversprechungen durch Coaching-Anbieter? Was bringt Outdoor-Coaching? Gibt es eine Qualitätskontrolle? Und: Ist Coaching überhaupt wirksam? Diese Fragen stellte sich die Wissenschaftsdoku „Der Coaching-Wahn“ auf 3Sat am 1. Oktober. Sie lieferte aber mehr Verwirrendes als Aufhellendes.
Allein der Titel der Sendung lässt nichts Gutes ahnen. Und so startet die Dokumentation gleich mit dem Portrait eines sogenannten Business-Schamanen, der seinen Seminarteilnehmern nach Besuch seines 2-tägigen Workshops die Verzehnfachung ihres Umsatzes verspricht. Der Zuschauer durchläuft hier schon zu Beginn des Beitrags ein geschicktes Priming: Coaching ist offenbar unseriös. Man kann das allerdings auch als provokative Intervention interpretieren. Die Behauptung der mangelnden Seriosität von Coaching gilt es zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu entkräften. Das könnte eine ergebnisoffene journalistische Recherche auch leisten. Dem Schamanismus-Teaser folgt dann allerdings die ausführliche Darstellung von Outdoor-Coaching am Berg als verbindende Story, die den gesamten Beitrag durchzieht. Der Wirtschaftspsychologe Uwe Kanning kommentiert am Schluss, dass sich ein Erleben fern des Alltagskontextes schwer in eben diesen transferieren lasse. Das mag sein, aber Extrem-Outdoor-Coaching ist nicht der Mainstream in der Coaching-Branche.
Einen vergleichsweise kleinen Raum nimmt die Darstellung klassischen Coachings ein. Mit Uwe Böning kommt ein einziger Business Coach zu Wort. Er erscheint im Beitrag fast als Ausnahmeerscheinung, obwohl er wohl eher den Mainstream im Coaching repräsentiert. Die Großen der Szene, Wolfgang Loos, Astrid Schreyögg, Christopher Rauen oder andere kommen gar nicht zu Wort. Ebenso wenig erfährt der Zuschauer, was Coaching eigentlich ist. Im Gegensatz zum Berater, der fertige Lösungen anbiete, helfe der Coach dem Coachee, selbst Lösungen zu finden, kommentiert der Sprecher. War es das? Scheinbar, denn vielmehr bietet die Dokumentation nicht als Erklärung. Als Methoden werden lediglich systemisches Coaching und das neurolinguistische Programmieren genannt. Das NLP wird als manipulative Methode beschrieben, die das Gehirn umprogrammieren wolle. Schlimmer geht’s nimmer. Da fehlt es wirklich an Tiefgang.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Coaching bringt einen messbaren Nutzen für Unternehmen. Das jedenfalls berichtet Annette Pannenberg von der Universität Bielefeld in der Sendung. Coaching bringe Unternehmen 60% bis 100% mehr ein als es koste. Aber das stellt der Psychologe Kanning gleich wieder in Frage, da ja viele Störfaktoren so ein Ergebnis verfälschen könnten. In der Tat. Die Wirksamkeit von Coaching lässt sich nur schwer messen, insbesondere, wenn es um einen monetären Vorteil für Firmen geht. Interessant aber, dass Kanning dennoch einen Wirksamkeitsnachweis für Coaching-Methoden fordert.
Sehr zu Recht reklamiert der Film eine fehlende Qualitätssicherung im Coaching. Diesem Vorwurf muss sich die Branche stellen, kann sich doch jeder als Coach bezeichnen. Aber was zeichnet Qualität im Coaching aus? Wer hier eine Antwort erwartet hat, wird enttäuscht. Es kommen zwar eine Reihe von Wissenschaftlern zu Wort, aber keiner der Experten verrät dem Zuschauer, was wirklich effektives Coaching ausmacht. Da ist weder von Lösungsorientierung noch von Ressourcenaktivierung die Rede und so wird der Coaching-Interessierte mit seinen möglichen Fragen im Regen stehen gelassen. Im Gedächtnis haften bleiben der Schamane und bergsteigende Manager.
Fazit: Dieser handwerklich wirklich gut gemachte Beitrag ist journalistisch aus meiner Sicht eine glatte Fehlleistung. Er ist nicht ergebnisoffen recherchiert und daher sehr einseitig in der Darstellung. Die Chance, gegenwärtige Trends in der Coaching-Branche kritisch zu würdigen, wurde hier vertan. Sehr schade.