Manager haben es im Griff. Alles. Immer. So wird es von Führungskräften erwartet und das erwarten offenbar die meisten auch von sich selbst. Dass aber die totale Kontrolle über eine Organisation in einer immer komplexer werdenden Unternehmenswelt nicht mehr funktionieren kann, passt nicht zum immer noch weit verbreiteten Bild des großen Lenkers. Und so geraten Manager ans Limit. Die ARD hat einen sehr sehenswerten Beitrag daraus gemacht.
Es gibt im Beitrag mehrere Aussagen von Managern, die ich für sehr zentral halte. Da ist zum einen die Feststellung: „Man ist an der Spitze eigentlich nicht mehr der, der entscheidet.“ Die Macht der Lenker an der Spitze sinkt mit dem Wachsen des Unternehmens. Die Krux: Viele Manager denken auch bei zunehmender Komplexität immer noch zu sehr in Kausalketten und nicht in Systemen. Und sie unterschätzen Trägheitsmomente in der Organisation. Speziell dort, wo Entscheidungsgewalt geteilt werden muss, wo die Matrix die Linienorganisation ersetzt hat und wo vor allem Marktentwicklungen Unternehmen zwingen, Entscheidungen zu dezentralisieren, um flexibel genug zu sein, ist der große Lenker ein Auslaufmodell. Führung im 21. Jahrhundert wird immer mehr eine Aufgabe für Sinnstifter, für Jongleure und für Moderatoren.
Der zweite Aspekt ist der von den Interviewpartnern geschilderte Verlust der Selbstachtsamkeit und das Verkennen der eigenen Grenzen. Die Ideologie des „alles ist möglich“ und der berühmte Satz „wenn du das Gefühl hast, du hättest alles unter Kontrolle, dann bist du zu langsam“ (Mika Häkkinen) prägen immer noch das Selbstverständnis vieler Top-Führungskräfte. Doch wenn mir die Selbstkontrolle entgleitet, zieht irgendwann mein Körper die Notbremse. Gunther Schmidt beschreibt Burnout zu Recht als Kompetenz des Körpers. Bemerkung von mir am Rande: Diese somatische Kompetenz sollte man allerdings besser schon vorher nutzen. Denn es gibt immer Warnsignale, meist lange vor dem Zusammenbruch.
Und der dritte interessante Aspekt im Film ist für mich die Problematik einiger großer Unternehmensberatungen, die zum einen nur dazu beitragen sollen, Profit zu maximieren, dabei Menschen zu Human Capital degradieren und zum anderen auf dem Weg dahin eher die angepassten Karrieristen, die „Klone des Chefs“ fördern und die Kritiker und die Unbequemen hinauskatapultieren. Das Unternehmen als reibungslos funktionierende Maschine, bei der Störungen ausgemerzt werden, damit die Shareholder happy sind. Eine in meinen Augen völlig sinnleere Unternehmenskultur, Management des letzten Jahrhunderts. Ich kann kaum glauben, dass das immer noch der Mainstream in der Beratung ist. Unternehmenserfolg sollte die Folge sinnorientierten Managements sein und nicht zum Selbstzweck mutieren. Welche Daseinsberechtigung hat ein Unternehmen, dessen ausschließlicher Zweck im Generieren von Gewinnen besteht?
Eine hervorragende Doku. Man könnte ihr auch den Untertitel verpassen: „Warum wir mehr Achtsamkeit in der Unternehmenskultur brauchen“ .
Der Beitrag in der ARD-Mediathek