Immer wieder mal bekomme ich Anfragen nach Karrierecoaching. Es wird dann von mir ein Turbo-Tuning erwartet, um den Klienten auf Erfolgskurs zu trimmen. Dahinter steckt die Frage, mit welchen speziellen Skills und wohlmöglich auch Taktiken sich die Karriere am besten boosten lässt. Und dazu soll ich die richtigen Antworten liefern. Doch wer Erfolg haben will, der sollte sich zunächst einmal selbst einige wichtige Fragen stellen.
Die wichtigste Frage lautet. Wozu? Es ist schon einige Jahre her, als ich mit exakt dieser Frage einen Coaching-Klienten völlig aus dem Konzept gebracht habe. Er hatte erwartet, dass ich mit ihm smarte Ziele erarbeite, um dann seine Roadmap festzulegen. Das kann man tun, aber das macht nach meiner Überzeugung wenig Sinn, wenn sich Menschen nicht über den Sinn ihres Tuns klar werden. Erfolg an sich ist so ziemlich sinnlos. Man kann auch sinnlos erfolgreich sein. Deshalb jagen viele Erfolgssucher auch geradezu wie Junkies einen Ziel nach dem anderen hinterher. Warum? Weil Erfolg nicht glücklich macht. Es ist nicht der Erfolg an sich, sondern das Tun, das glücklich machen kann.
Und daher sollten sich Menschen auch fragen, wofür Sie brennen, worin ihre Leidenschaft liegt. Und welchen Preis sie bereit sind, dafür zu zahlen. Diese Bereitschaft steigt meist mit der empfundenen Sinnhaftigkeit unseres Tuns. Dann entwickeln wir Leiden-schaft. Was für ein tolles Wort! Ob wir damit erfolgreich sind, entscheiden aber letztlich nicht wir. Erfolg erfolgt, wenn unser Tun Resonanz erzeugt. In uns und in der Welt, in der wir uns bewegen. Aber der Erfolg ist nicht der entscheidende Teil daran, sondern die Tatsache, dass Menschen sich aufmachen, etwas Neues zu probieren, wie Peter Kruse das einmal so schön formuliert hat. Oder mit den Worten von Vaclav Havel: „Hoffnung ist nicht der bange Wunsch, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“
Manchmal trifft man Menschen, die das schon sehr früh begriffen haben. Ein guter Freund von mir hat nie für den Erfolg gearbeitet, sondern immer für das, was ihn innerlich erfüllt hat. Karriere hat ihn nie wirklich interessiert. Er hat seine Freundschaften gepflegt und ist viel durch die Welt gereist. Nicht um Kontakte zu sammeln, Strecke zu machen oder Fotos wie Trophäen nach Hause zu tragen, sondern um andere Menschen kennen zu lernen und deren Kulturen zu verstehen. Und um an diesen Erfahrungen zu wachsen. Als er Mitte fünfzig war, hat er seinen gut bezahlten Job an den Nagel gehängt, um Zeit für seine Familie zu haben, sich mehr seiner Tochter zu widmen. „Das ist doch letztlich das, was zählt“, sagte er. Denn diese Zeit lässt sich nicht aufhalten, nicht nachholen. Als hätte er damals geahnt, dass er nur noch wenige Jahre zu leben hat. Diesen Monat ist er im Alter von sechzig Jahren gestorben und heute haben wir ihn bestattet.
Heute ist mir wieder mal leibhaftig bewusst geworden, dass das Leben keine Generalprobe ist. In solchen Momenten wird diese so profane Erkenntnis real. Wir haben nur das eine Leben und es gibt keine zweite Chance. Und auch darum sollten wir uns bei der Suche nach Erfolg gelegentlich die Frage nach dem „wozu“ stellen. Nicht um Leistung in Frage zu stellen, sondern um ihr Sinn zu verleihen. Vor kurzem stieß ich auf einen Vortrag vom Kollegen Dieter Lange, der sich eben diesem Thema auf ganz wundervolle Weise nähert. Wirklich sehenswert.
Ja und nein. Warum lernen wir das nicht eigentlich schon in der Schule? Ich meine das wäre doch viel nachhaltiger für unsere Gesellschaft!
Vielleicht weil Schule zum großen Teil immer noch auf Defizite fokussiert und Schüler dazu erzieht, immer besser sein zu müssen.