Menschen hätten es gern einfach, übersichtlich, leicht handhabbar. Stattdessen wird die Welt um uns herum immer komplizierter, unübersichtlicher und schwieriger zu steuern. Aber es gibt in dieser immer komplexeren Welt Lichtblicke. Einer davon ist das Buch der Philosophin Natalie Knapp. Für Komplexitäts-Verwirrte, für Kulturpessimisten – aber auch für alle, die diese Welt der unendlichen Perspektiven und Möglichkeiten einfach nur spannend finden.
Wenn ich Kompass lese, dann fühle ich mich als Segler sofort angesprochen. Wenn dann Denken außerdem im Titel vorkommt und es schließlich auch noch um Neues geht, dann habe ich fast den Eindruck, als könnte dieser Titel von mir stammen. Ist er aber nicht. Er stammt von Natalie Knapp, die schon mit „Der Quantensprung des Denkens“ und mit „Der unendliche Augenblick“ auf dem Buchmarkt vertreten ist. Meine Kollegin Heike hat mir das Buch ans Herz gelegt und ich wurde nicht enttäuscht.
Es schafft eine sehr schöne Verbindung zwischen den Erkenntnissen der Naturwissenschaften und der Philosophie und ist wirklich locker weg zu lesen. Ein charmanter, sachlicher und sehr empathischer Stil, bei dem das Lesen wirklich Freude macht. Die Autorin befasst sich zunächst mit der Herausforderung unseres Denkens durch die zunehmende Komplexität. Sie zeigt auf, dass lineares Denken uns nicht mehr weiter hilft und wir von der Annahme einfach Ursache-Wirkungs-Ketten verbschieden müssen. Unsere Welt ist keine Maschine. Schon die Quantenphysik hat die Unschärfe als Bestandteil knallharter Naturwissenschaft erkannt. Es gibt nicht nur ein entweder oder, sondern ein Beides oder auch etwas ganz anderes.
Was letztlich wahr ist, ist eine Frage der Kommunikation. Wahrheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess, der im Austausch von Menschen entsteht. Unsere Wahrnehmung ist nicht ein Abbild unserer Umwelt, sondern lediglich ein Modell. Diese Unsicherheit gilt es auszuhalten, die Sicherheit immer wieder in der Kommunikation mit anderen zu finden. Dabei ist das die immer wiederkehrende Chance, sich zu begegnen. Das einzig Beständige ist der Wandel, der nicht durch einen Geniestreich forciert wird, sondern durch die Intelligenz der Gruppe, die mehr ist als die Intelligenzen der Individuen.
Natalie Knapp verbindet Gedanken zur Vernetzung, Erkenntnis, Achtsamkeit und Wandel in einer Weise, die Freude bereitet. Es ist keine Kampfansage an das Gestern, sondern eine freundliche Einladung in ein neues Danken, neues Fühlen und neues Handeln. Lesenswert.
Knapp, Natalie: Kompass neues Denken. Wie wir uns in einer unübersichtlichen Welt orientieren können. 4. Auflage November 2015, Originalausgabe.