„Nun lassen Sie uns das doch mal ganz sachlich klären.“ Was für ein frommer Wunsch, der oft genug nicht in Erfüllung geht – und auch nicht in Erfüllung gehen kann. Konflikte ohne Emotionen sind eher selten. Wer das nicht berücksichtigt, wird sie kaum lösen.
Wer kennt sie nicht, diese Konfliktsituationen, in denen man ja doch eigentlich ganz professionell sachlich bleiben soll, einem aber genau das sehr schwer fällt. Klare Gedanken lassen sich nicht fassen, der Fokus verengt sich, der Puls steigt mit der inneren Erregung. Das sind die Momente, in denen wir stark spüren, dass wir einen Körper haben. Nur hat der im professionellen Umfeld irgendwie keinen Platz. „Immer schön sachlich bleiben“, „Nun mal ganz ruhig“ und „nun rege Dich doch nicht so auf“ lauten die Selbstbeschwichtigungsversuche und oft genug auch die Appelle von Anderen.
Nicht wirklich nützlich. Denn Konflikte haben immer etwas mit Emotionen zu tun, wenn auch oft verdeckt. Und es ist völlig abwegig, nun zu erwarten, dass der Konflikt allein durch ein professionell sachliches Gespräch zu klären wäre. Konflikte werden von unserem Gehirn als potentiell bedrohlich betrachtet. Wenn wir nicht ad hoc eine Strategie zur Bewältigung haben, dann schaltet sich in unserem limbischen System ein Alarmmechanismus ein, der die oben beschriebenen Stressreaktionen auslösen kann.
Ganz soweit muss es nicht kommen, aber wenn es soweit kommt, dann können wir Gefühle aus unseren Konfliktbereinigungsstrategien nicht als störend herauskomplimentieren. Appelle an die Vernunft sind dann so gut wie aussichtslos. Denn der präfrontale Cortex (Sitz der Vernunft in unserem Gehirn) schaltet sich mit zunehmender emotionaler Betroffenheit nach und nach aus. Tiefer gelegene und evolutionär altere Gehirnareale übernehmen mehr und mehr das Regiment. Stellt sich erst ein Stressgefühl ein, dann läuft nur noch das Alarmprogramm, der Blickwinkel verengt sich, Kreativität geht verloren und damit gehen mögliche Lösungsstrategien den Bach runter. „Mit mir nicht!“ „Das wollen wir doch erstmal sehen.“ „Der werde ich es zeigen.“ Ende der Fahnenstange.
Was heißt das für die Konfliktlösung? Genau: Wir müssen erst die Emotionen beruhigen. Da die aber nur bedingt der bewussten Steuerung unterliegen, sind Appelle an die Vernunft meist aussichtslos. Auch Schiedssprüche oder Entscheidungen von Vorgesetzten schaffen nur vordergründig Ruhe. Emotionen sind immer vorrangige Störfaktoren. Vor allem negative Emotionen drängen sich derart in den Vordergrund, dass sie positive Emotionen locker beiseite schieben. Und positives Denken hilft hier nun wirklich nicht mehr weiter.
Ein sehr eindrucksvolles Verfahren der Konfliktregulation ist die, von Marshall B. Rosenberg entwickelte gewaltfreie Kommunikation. „Wieso gewaltfrei? Ich drohe dem anderen doch keine Prügel an?“ Na, das will ich hoffen. Rosenberg fasst aber unter Gewalt alles, was Menschen verletzt oder sie bedrängt. Er spricht daher auch von Wolfssprache und stellt ihr die so genannte Giraffensprache gegenüber. Ich werde die Vorgehensweise im nächsten Coaching-Tipp erläutern.
Mehr zum Thema Konfliktregulation finden Sie übrigens auch in meinem Buch Change! Bewegung im Kopf.
Hallo Constantin,
Nun gibt es mal ein „feedback“ von mir,wie angekündigt.
Emotionen…genau das ist es,was auch im Konflikt zum tragen kommt.Und nicht nur dort.Trauer,Freude,alles intensiv Erlebte löst Emotionen aus.Genau wie Du sagst ist es halt jeweils das Gegenüber,oder eben ich,der diese Emotionen erlebt oder zu spüren bekommt.Bei tiefer Trauer wird einem sicher mehr Raum gegeben um diesen Emotionen Platz zu schaffen.Bei Freude ist man meist willkommen.Doch wenn man eine andere Meinung vertritt?Wenn die andere Ansicht zum Angriff wird,bzw so empfunden wird?Im besten Fall bewegt sich etwas zum Positiven oder öffnet den eigenen Blick für die Werte des Mitmenschen.Ich persönlich reflektiere,warum mich etwas „trifft“,weil es doch immer etwas mit mir zu tun hat.Konflikt als Chance…ich wünsche es mir und anderen 🙂
Liebe Grüße,Kirsten
Danke für Deinen Kommentar, Kirsten. Das Problem ist ja, dass es bei Trauer um Trauer bei Freude um Freude geht. Im Konflikt geht es aber eben oft um etwas anderes – zumindest vordergründig. Wir reden dann auf der Sachebene, obwohl es auf der Beziehungseben brodelt. Rosenbergs Konzept wird ja inzwischen auch im Business-Bereich unter dem Begriff wertschätzende Kommunikation trainert. Wer einmal einen Workshop zu diesem Thema besucht hat, kann sich der Faszination dieser Kommunikationsform nicht entziehen. Die ist ziemlich stark und wirkungssvoll – und wird beiden Ebenen gerecht.
Eben, lieber Constantin…der Knackpunkt!Vordergründig geht es im Konflikt um etwas anderes. Aber bei allen Emotionen geht es um Werte, im Konflikt oft um deren Verletzung. Es ist absolut spannend in einem Konflikt, wenn man als Moderator diese Werte des Einzelnen erkennbar werden läßt. So manches lößt sich dann in wunderbarer Weise im idealen Fall 🙂
Ich erinnere mich an eine TV-Serie von Prof. Spitzer, in der er diese Thematik auch mehrfach aufgegriffen hatte. Er gebrauchte dabei das Bild des Steinzeit-Menschen: beim Anblick eines Säbelzahntigers war es damals ja nicht besonders sinnvoll, sich zurückzulehnen und alle Optionen für den Umgang mit der Gefahr in Ruhe zu beleuchten. Dieses Prinzip setzte sich in der Evolution nicht durch. Darum wird uns noch heute das laterale Denken in Stress-Situationen abgedreht. Dem modernen Menschen bleibt nur die Chance, vermeintliche Gefahrenspotentiale und emotionale Angriffe umzuinterpretieren, damit sie erst gar nicht stressauslösend wirken. Auch mit viel Übung wird dies wohl nicht immer gelingen. Kann aber jeder fast täglich trainieren – zum Beispiel beim Autofahren.