Wohl niemand möchte Produkte erwerben, die er oder sie nicht benötigt. Doch immer noch versuchen Trainer in Verkaufstrainings Verkäufern beizubringen, wie man Menschen genau dazu bringt. Warum eigentlich? Es ist doch viel einfacher, Menschen das zu verkaufen, was sie wollen.
Es ist nun schon das zweite Mal heute, dass eine freundlich Stimme anruft, der ich schon nach einem Satz anhöre, dass sie mir etwas andrehen will, was ich nicht brauche. Sie weiß das auch – und ich spüre es. Meine Intuition ist da ziemlich treffsicher. Es muss wohl am wenig authentischen Tonfall liegen und am stereotypen Verkaufsskript, dass die nette Dame vor sich liegen hat und das sie gerade abarbeiten will. Sie weiß natürlich nicht, dass ich auch eine Verkaufsschulung absolviert habe, und die typischen Kommunikationsmuster kenne.
Jetzt sagen gewiefte Verkäufer natürlich. „Ja, das war so ein junges Huhn, die das nicht kann. Verkaufen kann man auch nicht lernen, das hat man im Blut“ Papperlapapp. Gerade die alten Hasen können zwar besser quatschen, aber genau das ist oft ihr Problem.
Reden ist Silber …
Wer viel quatscht, erfährt unter Umständen nie, wie sein Kunde tickt, was ihn interessiert und was er will. Im Vordergrund steht stattdessen: „Ich will dem was verkaufen.“ Und die alten Hasen schaffen es irgendwie auch oft genug, etwas zu verkaufen. Sandwich-Technik, Einwandbehandlung – und dann flutscht das schon. Aber wenn man einmal das Stimmungsbarometer bei den Kunden ablesen würde, bin ich mir ziemlich sicher, dass das bei denen eher auf „hmpf, irgendwie hat der mich jetzt überrannt“ steht.
Dabei hat sich doch schon längst herumgesprochen, dass Menschen nicht das kaufen, was sie brauchen, sondern das, was sie wollen. Auch ist es so einfach, herauszufinden, was Kunden wirklich wollen. Man muss sie nur fragen – und eben zuhören. Und wenn man nicht als Verkäufer, sondern als interessierter Zuhörer und Berater auftritt, dann erfährt man auch, was der Kunde will – oder wollen könnte. Aber vor allem erfährt man, ob der potentielle Kunde überhaupt zu einem passt.
Zu einem passt? Ja, sie haben richtig gelesen. Muss ich denn als Messias auftreten und meine Dienstleistungen Leuten andrehen, die – in meinem Fall – Coaching und Training überhaupt nicht haben wollen? Ich denke nein. Ich kann ihnen, wie im Coaching selbst, nur ein Angebot machen und bei Interesse mit dem Kunden gemeinsam schauen, wie das zu seinen Vorstellungen und Zielen passt. Das ist jedenfalls meiner Erfahrung nach die beste Form der Akquise. Alles andere wäre die reinste Zeitverschendung – für den potentiellen Kunden und für mich.
… zuhören ist Gold
Gerade Fachleute machen oft einen großen Fehler: So mancher IT-Fachmann zum Beispiel stellt sein Produkt in den Mittelpunkt und schildert dem Kunden dessen Eigenschaften in allen Einzelheiten. Die interessieren aber selten. Menschen kaufen das, was ihnen vor allem ein gutes Gefühl verschafft und nicht das, was sie vermeintlich brauchen. Daher gehen rein nutzenorientierte Verkaufsgespräche oft ins Leere. Es ist zwar gut, einem potentiellen Kunden den Nutzen eines Produktes zu erklären. Aber das allein reicht nicht, solange das Produkt nicht seine emotionalen Bedürfnisse erfüllt. Gerade bei schwierigen Kaufentscheidungen ist es letztlich der Bauch, welcher den Unterschied macht zwischen Kauf und Nicht-Kauf. Und zum guten Gefühl gehört auch das Vertrauen dem Verkäufer gegenüber. Stereotyper Verkäuferslang ist wenig authentisch und schafft genauso weinig eine Vertrauensbasis wie endlose Monologe über die Vorzüge eines Produktes.
Wie kann es besser gehen? Hier ein paar Tipps für alle, die nicht gern verkaufen mögen:
- Stellen Sie sich vor, Sie sind Berater und Experte Ihres Fachs, nicht Verkäufer. Gewinnt von dieser Warte Verkaufen mehr Attraktivität?
- Fallen Sie beim Kunden nicht mit der Tür ins Haus, sondern stellen Sie sich vor. Menschen möchten wissen, mit wem sie es zu tun haben, bevor sie sich auf sie einlassen.
- Bauen Sie eine vertrauensvolle Beziehung auf. Setzen Sie dort an, wo es Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und dem Kunden gibt. Vielleicht fahren Sie das gleiche Auto oder stammen aus der gleichen Stadt. Kurzer Smalltalk entspannt die Atmosphäre. So wird selbst eine Kaltakquise mindestens lauwarm.
- Finden Sie heraus, was ihr Kunde benötigt. Manchmal ist das offensichtlich. In unserer Firma kam einmal ein Maurer vorbei, dem aufgefallen war, dass die Gebäudefassade schadhaft war. „Haben Sie einmal darüber nachgedacht, die Wand frisch zu verputzen?“ Dort, wo der Bedarf nicht offensichtlich ist: Fragen Sie!
- Bieten Sie dem Kunden eine Lösung an. Produkte und Dienstleistungen sind immer Problemlösungen. Sind sie es nicht, werden Sie kaum ein Interesse beim Kunden wecken können. Dabei geht es nicht vorwiegend um den tatsächlichen, sondern um den gefühlten Mehrwert. Alles was Menschen mehr Sicherheit, bessere Kontrolle und soziale Bindung verschafft, was ihren Selbstwert steigert oder schlicht Spaß macht, ist ein gefühlter Mehrwert.
- Emotion sells: Hier spielen Sinnesreize eine wesentliche Rolle. Sekundäre Produktmerkmale wie Design, Farbgebung, Haptik und Geruch können kaufentscheidend sein. Auch Ihr persönliches Outfit und Auftreten gehören dazu. Kommunikation ist zu 90% nonverbal. Achten Sie daher auch auf Ihre Artikulation und Ihre Körpersprache. Hüten Sie sich aber vor plumpen, einstudierten Gesten und gestellter Mimik.
- Prüfen Sie, ob der Kunde zu Ihnen passt. Laufen Sie niemandem hinterher. Seien Sie gewiss: Ihr Kunde weiß besser als Sie, was er braucht. Wenn Sie ihm das nicht bieten können, dann lassen Sie von ihm ab – und empfehlen ihm ruhig einen Mitbewerber. Er wird es Ihnen danken. Wer gibt, bekommt auch zurück.
- Zum Preis: Der stimmt, wenn der gefühlte Nutzen größer ist als der Preis. Ob er das ist, können Sie auch durch Ihre Gesprächsführung steuern. Lassen Sie sich nicht auf Rabattschlachten ein. Auch Sprüche wie „am Preis soll es nicht liegen“ werten eher Ihr Produkt ab, als dass sie kauffördernd wirken.
- Spüren Sie nach, wenn der Kunde reif ist für einen Abschluss. Wenn Sie Zweifel bemerken, dann fragen Sie nach. Zweifel und Widerstände sind ein Geschenk für jeden Verkäufer. Nehmen Sie den Kunden darin ernst und seien Sie empathisch. Erst wenn alle Zweifel ausgeräumt sind, wird Ihr Kunde kaufen. Wenn Sie ihn damit im Regen stehen lassen, haben sie ihn verloren.
- Beenden Sie jedes Akquisegespräch verbindlich. Machen Sie einen Vorschlag, wie es weitergehen soll („Bis wann möchten Sie denn eine Entscheidung treffen?“). Spätestens hier werden Sie merken, ob ihr Kunde eine ernsthafte Kaufabsicht hat.
- Legen Sie sich ein dickes Fell zu. Absagen und andere Misserfolge sind eine Chance zum Lernen, wie es besser gehen könnte.
- Ob Sie erfolgreich verkaufen, hängt letztlich davon ab, ob Sie beim Kunden Resonanz erzeugen. Dazu müssen Sie empathisch rüberkommen Ihr Produkt muss die Bedürfnisse Ihres Kunden befriedigen können. Also, verkaufen Sie dem Kunden doch einfach das, was er haben will.
Dieser Beitrag ist erstmals im BusinessVillage-Magazin erschienen.
Buchtipp:
Anne Schüller (2010):
Kunden auf der Flucht. Wie Sie loyale Kunden gewinnen und halten.
Sehr schön! Das errinnert mich an ein „Verkaufsgespräch“ bei dem der Kunde mir zum Abschußt (im doppelten Sinne) sagte, „Wie schön das sie noch nicht all diese Psychokurse mitgemacht haben, mit ihnen kann man sich noch richtig unterhalten.“. Ich hatte all diese Psychokurse schon hinter mir, fand sie auch alle sammt sehr interessant, habe auch alles in der Praxis ausprobiert und beachte es seit dem nicht mehr. Ich bin in der glücklichen Situation meinen Job als Aussendienstler nicht machen zu „müssen“ und habe mir von Anfang an vorgenommen autentisch zubleiben und nicht zu wirken. So empfehle ich teilweise auch Produkte von Mitbewerbern und die Kunden danken es mir mit ihrem Vertrauen und auch Aufträgen. Der Erfolg meines freundschaftlichen Stills gibt mir recht.
… achja by the way… Zwei meiner Kollegen saßen kurz nach ihrem IBX Training in einem Verhandlungsgesprach mit einem sehr wichtigen Kunden und nach 30 Minuten schauten sich alle vier grinsend an und fragten einander ob sie gerade auch ein IXM 😉 Training hatten. Ende vom Lied, der Situationswitz war der einzige Wert der überteuren Schulung.