Burnout: „Ich bin völlig ausgebrannt.“

Burnout hat die besten Chancen, zum Wort des Jahres 2011 gewählt zu werden. Das Problem: mit dem inflationären Gebrauch des Begriffes steigt auch die Tendenz zu seiner Banalisierung. So ziemlich alles von allgemeiner Lustlosigkeit bis hin zu ernsthaften Symptomen einer vollständigen Erschöpfung wird im alltäglichen Sprachgebrauch unter Burnout subsumiert. Die Medizin spricht derweil von depressiver Erkrankung. Beides erscheint mir wenig hilfreich.

Viele Mediziner tun sich mit Burnout schwer. Kürzlich berichtete ein Psychiater in einem großen deutschen Magazin, dass Burnout gar keine Krankheit sei, weil es in keine der internationalen Klassifizierungssysteme passe. Er spricht stattdessen von Erschöpfungsdepression. Wohl denn, was in keine Schublade passt, wird passend gemacht. Dabei ist Depression nur eine Ausprägung eines „echten“ Burnout. Doch das Symptom sagt wenig über die Ursachen und gar nichts über die nötige Therapie aus – wenn man mehr als nur Symptome behandeln will.

„Burnout ist eine Kompetenz“

Burnout ist ein Zustand der völligen Erschöpfung, ausgelöst durch permanenten Stress. Hier zeigen sich meist sowohl körperliche Symptome wie Kopfschmerz, Konzentrationsstörungen, innere Unruhe, das Gefühl des völlig Ausgebranntseins als auch psychische Anzeichen, wie Sinnleere, gepaart mit dem Gefühl des Getriebenseins, so Gunther Schmidt, Arzt für Psychotherapie. Schmidt bezeichnet Burnout allerdings als Kompetenz. Es ist die Kompetenz des Körpers den Stecker zu ziehen, bevor es endgültig zu spät ist.

Burnout ist eigentlich eine Fahrtechnik. Mit durchdrehenden Reifen, bis die qualmen. Danach ist Auswechseln angesagt. Diese Metapher ist recht passend und viel besser als jede medizinische Klassifizierung, finde ich. Wer ständig überdreht, immer auf Hochtouren fährt, der überhitzt irgendwann allerdings nicht nur die Reifen, sondern auch den Motor. Jeder Formel-1-Fan weiß das. Bei uns ist das nicht viel anders. Unser Körper (zu dem auch unser Gehirn gehört) kann auch heißlaufen. Nur auswechseln können wir ihn nicht. Und doch meinen wir, im Zeitalter des Multitasking, die Beschleunigung immer weiter vorantreiben zu müssen. Jede technische Revolution wälzt auch die Anforderungen an uns Menschen um.

Selbst die digitale Revolution hat sich diesbezüglich nicht gerade als hilfreich erwiesen. Sie führt Dank Internet und Smartphone dazu, dass Menschen immer mehr Online sind, ständig Informationen aufnehmen und austauschen. Unser Körper braucht aber auch Ruhezeiten, in denen er sich wieder regenerieren kann.

Gutes Zeitmanagement ist übrigens dazu nicht unbedingt das probate Mittel. Ein effektiver Umgang mit Zeit kann exakt die gegenteilige Wirkung entfalten: Eben noch mehr Aufgaben in noch kürzerer Zeit zu erledigen. Klassisches Zeitmanagement ist ein Tool des Maschinenzeitalters, mit dem die Taktung optimiert wird. Aber es dient nicht dazu, auf den eigenen, inneren Takt zu hören. Dieses Gespür haben immer mehr Menschen verloren.

Und es ist ja so verlockend: Die Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung potenzieren sich mit der Zunahme von Komplexität in unserer Welt des 21. Jahrhunderts. Das ist faszinierend und gefährlich zugleich. Es öffnet uns eine Menge Türen, denn nie zuvor waren Information so leicht zugänglich, war Kommunikation so einfach und waren Entfernungen so kurz. Und diesem Raum füllen wir nur zu gern mit engagierter Arbeit aus – oft bis zum Anschlag und darüber hinaus.

Es wird Zeit, eben wieder auf den inneren Takt zu hören, achtsam auf die Signale zu hören. Denn die gibt es: Ständiges Rotieren im Job, gepaart mit Erschöpfung, Schlafstörungen, leichter Reizbarkeit und körperlichen Symptomen, die individuell so verschieden sein können, dass sie eben in keine medizinische Klassifizierung hinein passen. Sie reichen von häufig wiederkehrendem Kopfschmerz bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Signale wahrnehmen

Wie kann die Prophylaxe aussehen? Hier sind einige Fragen, die Sie sich stellen könnten:

  • Haben Sie ständig das Gefühl, mit Ihren Aufgaben nicht fertig zu werden und fühlen Sie sich häufig überfordert?
  • Fühlen Sie sich oft „neben der Bahn“ und meinen, eher getrieben zu sein, als dass Sie Dinge wirklich steuern?
  • Sind Sie zeitlich und gedanklich sehr stark auf Ihre Aufgaben fokussiert und haben Sie wenig Zeit auszuspannen?
  • Verspüren Sie oft eine innere Unruhe, sind Sie häufiger gereizt oder sogar aggressiv?
  • Zeigen sich bei Ihnen körperliche Symptome wie die oben genannten oder sind Sie in letzter Zeit häufiger krank als gewöhnlich?
  • Treten Ihre realen, gelebten sozialen Kontakte in Ihrem Privatleben hinter Ihren Job zurück? Und empfinden Sie Ihre sozialen Kontakte als unterstützend und wertschätzend?
  • Und wenn ich Sie fragen würde, wie viel Sie sich tatsächlich körperlich bewegen und wie viel Sport Sie tatsächlich treiben, fiele es Ihnen dann schwer, eine ehrliche Antwort zu geben?
  • Und wenn Sie einmal darüber nachdenken würden, wann Sie sich zuletzt so richtig wohl gefühlt haben und den Eindruck hatten, mit sich selbst im Reinen zu sein und in Ihrem Leben mindestens ebensoviel Energie zu gewinnen, wie Sie aufwenden, müssten Sie dann lange nachdenken?

Wenn Sie sich bei der Beantwortung dieser Fragen ganz gut wiedererkennen, dann könnte es vielleicht hilfreich sein, etwas zu ändern – vorausgesetzt Sie wollen sich und Ihrer Gesundheit etwas Gutes tun.

Dabei kann es nicht darum gehen, Belastungen grundsätzlich zu vermeiden. Herausforderungen zu meistern sind ja das Salz in der Suppe unseres Lebens. Es geht vielmehr und die Frage, wie Sie mit Belastungen stressfreier umgehen können.

Selbstachtsamkeit ist eine wichtige Voraussetzung für physische und psychische Gesundheit. Zu Selbstachtsamkeit gehört neben der Fähigkeit Grenzen zu erkennen, auch den Mut diese zu setzen. Sich selbst und anderen. Entspannung und Bewegung sind wichtige Phasen, um Stress abzubauen. Daneben ist soziale Vernetzung ein wichtiger Faktor für eine ausgeglichene Lebensweise. Wohlgemerkt: Damit sind nicht Twitter, Facebook und ähnliche, virtuelle Netzwerke gemeint, sondern reale Kontakte im wirklichen Leben. Von Angesicht zu Angesicht.

In meinem Buch „Change! Bewegung im Kopf“ habe ich ein Präventionsmodell in fünf Schritten dargestellt. Letztlich geht es immer wieder darum, was Aaron Antonowsky in seinem Entwurf der Salutogenese beschrieben hat: Menschen, denen es gelingt, Belastungen als handhabbar, verstehbar und sinnvoll zu begreifen, gelingt es auch, ihr inneres Gleichgewicht zu erhalten. Das ist nicht nur eine Frage der Einstellung, sondern eine Frage des Umgangs mit sich selbst. Der Motor soll schließlich laufen und nicht ausbrennen.

 

Wenn Sie mehr zum Thema Burnout lesen wollen. In managerSeminare finden Sie eine Rezension von drei neuen Büchern zum Thema:

Sylvia Kéré Wellensiek: Handbuch Resilienz-Training. Widerstandskraft und Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter. Beltz, Weinheim 2011, 400 S.

Markus Väth: Feierabend hab ich, wenn ich tot bin. Warum wir im Burnout versinken. Gabal, Offenbach 2011, 240 S.

Reinhold Ruthe: Wege aus der Burnout-Spirale. Strategien gegen Stress, Leistungsdenken, Selbstausbeutung und Arbeitssucht. Brendow, Moers 2011, 176 S.

Jörg-Peter Schröder: Die Anti-Burnout-Fibel. Selbsttraining zur Work-Life-Balance. Cornelsen, Mannheim 2010, 168 S.

 

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