Von Warmduschern und Mitarbeiterverstehern

ChefWarmduscher, Autobahnrechtsfahrer und Frauenversteher waren vor einigen Jahren Synonyme für „Weicheier“. Nun ist auf Führungsebene der Begriff „Mitarbeiterversteher“ dazugekommen. Denn wer führt, muss nicht verstehen, sondern vor allem klare Ansage machen, oder?

Bei einem meiner letzten Flüge nach China, traf ich einen britischen Manager, der seit vielen Jahren in München arbeitete. Auf meine Frage, worin er denn den wesentlichen Unterschied zwischen britischer und deutscher Führungskultur sehe, antwortete er: „Ihr Deutschen seid immer noch zu sehr Hierarchie-fixiert. Position dominiert über Sachverstand.“ Das machte mich nachdenklich. Hat er recht? Sind wir immer noch so sehr auf Rolle und Position versessen? Aus meinen Erfahrungen in den Niederlanden und Skandinavien kann ich das bestätigen. Dort herrscht eine wesentlich offenere Kommunikationskultur, auch zwischen den Ebenen. Es ist völlig normal dem Chef kritisches Feedback zu geben, was nach meiner Erfahrung in Deutschland eher Seltenheitswert hat.

Und deutsche Führungskräfte haben den Ruf, nicht eben besonders wertschätzend mit ihren Mitarbeitern umzugehen. Jedenfalls wird mir das immer wieder von meinen Seminarteilnehmern in Asien berichtet. Aber da sind wir nicht allein. Leider. In einer kürzlich vom DDI beauftragten und international  durchgeführten Untersuchung stellte sich heraus, dass sich 40% der Befragten weltweit von den Verhaltensweisen ihres Chefs verletzt und demotiviert fühlen. Und die meisten ertragen eher eine Erkältung, kassieren lieber einen Strafzettel, als ein schwieriges Gespräch mit ihrem Chef zu führen.

Was soll uns das sagen? Sollen Chefs Ihre Mitarbeiter nun umschwärmen und täglich mit Lob überschütten? „Soll ich jetzt Händchen halten, oder was?“, wird so mache Führungskraft nun fragen? Aber darum geht es nicht. Es geht auch nicht um tägliches Lob. Denn Lob ist die Kehrseite von Tadel. Beides halte ich persönlich nicht für essentiell. Ja, da haben Sie richtig gelesen. Ich will das auch gern erklären. Lob ist ebenso wie Tadel ein Konditionierungsmechanismus, mit dem Menschen versuchen, andere zu lenken. Funktionieren sie gut, bekommen sie Lob, zeigt sich eine Fehlfunktion, wird getadelt. Das ist Zuckerbrot und Peitsche und Führung 1.0, somit Old Stuff. Wertschätzung wie ich sie verstehe, ist etwas anderes.

Jemanden Wert zu schätzen, bedeutet für mich, ihn in seinem Selbstwert zu achten. Und das bedeutet, einen Menschen als eigenständiges, selbstorganisiertes Individuum zu respektieren. Uns Menschen zeichnet ja aus, dass wir eben nicht wie Haustiere konditioniert werden müssen, um Leistung zu bringen. Zu maximaler Leistung laufen Menschen auf, wenn sie Dinge eigenhändig steuern können, wenn sie in Entscheidungen einbezogen werden – oder noch besser: selbst entscheiden können. Nur so können wir im Job auch die inneren Früchte unserer Arbeit selbst ernten. Motivation kommt von positiven Erfahrungen. Und die sind am stärksten, wenn wir Herausforderungen autonom bewältigen können. Nur dann fährt der mentale Turbo im Flow-Modus.

Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen der zitierten Studie. Jeder zweite Befragte wünscht sich die Möglichkeit, Probleme eigenständig lösen zu können. Wenig verwunderlich, denn gerade daraus beziehen wir das Gefühl von Selbstwert. Schaffen es Führungskräfte, dass zunächst zu verstehen und dann entsprechend zu handeln, so haben sie besser geführt als der Macht-fixierte Kollege.

Das könnten Sie als Führungskraft konkret tun:

  • Geben Sie Orientierung und kommunizieren Sie Ziele  gegenüber Ihren Mitarbeiten.
  • Beziehen Sie MA in Entscheidungen mit ein. Die integrierte Intelligenz eines Teams ist immer höher als die Summe der Einzelintelligenzen.
  • Akzeptieren Sie, wenn MA mehr Sachverstand haben als Sie. Fördern Sie diese.
  • Delegieren Sie Verantwortung und nicht nur Aufgaben. Das heißt auch loslassen: Bewerten Sie Lösungen nach deren Nützlichkeit und nicht danach, ob sie mit Ihren Lösungsideen konform sind.
  • Geben Sie kritisches Feedback auf wertschätzende Weise. Sprechen Sie von Ihren Beobachtungen und Erwartungen. Fokussieren Sie auf Lösungen und unterlassen Sie das Herumreiten auf Problemen und vermeintlichen Defiziten des Mitarbeiters.
  • Geben Sie postives Feedback, wenn Sie mit der Leistung eines MA zufrieden sind. Sprechen Sie von Ihren Beobachtungen und Empfindungen, z.B: „Sie haben mit Ihrem Projektbericht einen exzellenten Eindruck beim Kunden hinterlassen, Thomas. Super für unser Team. Das freut mich außerordentlich.“ Das ist allemal hilfreicher als plattes Lob a la „Das haben Sie gut gemacht, Michael. Sie sind Mitarbeiter des Monats.“
  • Geben Sie MA Raum zur Entwicklung. Das untergräbt nicht Ihre Autorität, sondern stärkt diese.

 

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9 Antworten auf „Von Warmduschern und Mitarbeiterverstehern“

  1. Hallo Herr Sander,

    ein sehr schöner Artikel mit inspirierenden Empfehlungen. Ideen gibt es genug in unserem Land, allein die Motivation, diese umzusetzen, scheint nicht zu folgen. 😉

    Viele Grüße

    Axel Maluschka

      1. Genau so handhabe ich das immer. Wenn das Neue sich nicht gut anfühlt, kann ich immer zum Alten zurückkehren. Ist ganz einfach. 🙂

        Viele Grüße

        Axel Maluschka

  2. Hallo Herr Dr. Sander,

    schöner Artikel – vielen Dank. Ich bin froh, dass Sie, trotz Ihrer „schlechten Meinung“ über Lob, in den Tipps doch noch empfehlen, dass man positives Feedback gibt. Denn nichts anderes ist Lob ja auch. Mitarbeiter heutzutage wollen konkretes Feedback, und auch Lob kann konkret sein. Tadel, um zu konditionieren, kenne ich kaum, trotz meiner über 15-jährigen Berufserfahrung.

    Im Gegenteil: mir fällt auf, dass die wenigsten Führungskräfte negative Themen ansprechen und so verpacken können, dass es den Mitarbeitern etwas hilft. Da schimpft man lieben hintenrum und trennt sich von Leuten (oder engagiert Coaches und delegiert so das „Problem“), als dass man den Leuten auch mal Hilfestellungen gibt und ihnen sagt, was sie besser machen können.

    Die Beurteilungsbögen werden widerstrebend ausgefüllt. Und damit es keine Diskussionen gibt, vergibt man gute Noten. Das Resultat: irgendwann haben wir lauter Ü-50-Jährige, die ein völlig falsches Selbstbild von sich haben und für Feedback nicht mehr offen sind. Das finde ich sehr schade.

    Ich übertreibe nicht, ich erlebe diese Fälle aktuell sehr intensiv.

    Deshalb: auf zu neuen Ufern! Wertschätzung heißt auch: Ehrlichkeit und Mut!

    Viele Grüße

    Gaby Feile

    1. Hallo Frau Feile,
      ja, negatives Feedback kann sehr wohl auch wertschätzend sein. Wenn Führungskräfte das einmal verinnerlicht haben, fallen kritische Rückmeldungen nicht mehr so schwer. Ich wäre glücklich, wenn wir eine Feedbackkultur etablieren könnten, in der es normal ist, positive ebenso wie negative Rückmeldungen zu geben – und anzunehmen! Gerade das von Ihnen geschilderte „hinter dem Rücken“ ist ja wenig hilfreich. In unseren Workshops läuft das übrigens ganz gut. Die Rollenspiele zum Feedback gehören zu den beliebtesten Teilen – selbst in Asien!
      In der Tat glaube ich allerdings, dass Lob nur die Kehrseite von Tadel ist und aus der gleichen Konditionierungskultur stammt. Echte Anerkennung ist für mich etwas anderes. Geteilte Freude zum Beispiel. Oder einfach mal Danke sagen, wenn ein MA eine super Performance hingelegt hat. Schade, dass vielen Managern so etwas selten über die Lippen kommt. Oder sich auch einfach zu entschuldigen, wenn man Bockmist gebaut hat. Primäre Kulturtechniken, die mal etwas aufpoliert gehören.
      Herzliche Grüße
      Constantin Sander

  3. Hallo Herr Sander,

    vielen Dank für diesen wertvollen Artikel. Wertschätzendes Führen ist heutzutage so wichtig. Leider wollen das viele Führungskräfte noch nicht wahrhaben. Durch meine eigenen Erfahrungen erlebte ich sehr, wie falsches Führen die Leistungskraft und Motivation reduzieren kann. Da kam es gar nicht so sehr aufs Loben an. Doch man will in irgendeiner Form Rückmeldungen erleben, um sich auszutauschen und auch zu erfahren, was man noch verbessern kann. Ebenso möchte man mitwirken können und die Chance haben, dass man seine Erkenntnisse und besonderen Fähigkeiten miteinbringen kann.

    Leider sehen viele Führungskräfte sich immer noch in der Verantwortung, alles steuern und tun zu müssen, damit es auch nach ihrer Vorstellung „richtig“ wird. Nur wenige können wirklich loslassen an dem Gefühl der Kontrolle und einfach mehr Vertrauen seinen Mitarbeiter geben. Es setzt allerdings voraus, auch mal Fehler und Misserfolge zuzulassen. Das gehört ja dazu, wenn man Neues ausprobiert und Probleme eigenständig löst.

    Herzliche Grüße
    Beatrice Legien-Flandergan

  4. Hallo Frau Legien-Flandergan,

    ja, da sind wir ganz nah beieinander. Was mich hoffen lässt, ist die Bereitschaft vieler junger Führungskräfte, Management in dieser Hinsicht zu erneuern.

    Herzliche Grüße
    Constantin Sander

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