Hitzlspergers Outing auf allen Kanälen, vom morgendlichen Deutschlandfunk bis zu Illners Talk-Runde am Abend. Bemerkenswerter als das Outing selbst finde ich allerdings das breite Medienecho. Nur ein Ausbruch abgegriffener Political Correctness? Vielleicht. Aber vielleicht auch eine Chance, sich einmal Gedanken über Emotional Correctness zu machen. Die amerikanische Reporterin Sally Kohn hat einen erfrischenden Vortrag darüber gehalten.
Sally Kohn ist TV-Reporterin beim konservativen Sender FOX-News. Und sie ist lesbisch. Allein das macht sie zur Bashing-Figur für konservative Kreise in den USA. Sie steckt die meisten Anfeindungen weg. Aber es gibt Angriffe, die schlicht persönlich verletzend sind. Und das gibt Anlass, einmal den Blick vom oft verlogenen, politisch korrekten Verhalten auf den Kern des Anstoßes zu richten. Denn hier geht es nicht darum, die Form zu wahren, sondern hier geht es um wertschätzenden Umgang mit Menschen, der dem einfachen Grundsatz folgt: Was Du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Sally nennt das Emotional Correctness. Und in der Tat: Würde das die Kommunikation auch im Alltag nicht viel einfacher machen, wenn wir uns nicht so sehr damit beschäftigen, was andersartige und andersdenkende Menschen vermeintlich sind, sondern mehr damit befassen, was sie tun? Denn dann würden wir schneller zu dem kommen, was wirklich wichtig ist, nämlich über Denken, Fühlen und Verhalten reden und nicht über die Person.
Und selbst, wenn Menschen uns gegenüber verbal aggressiv auftreten, ist es hilfreich zu ergründen, was hinter dieser Aggression steckt. Welche Ängste und welche Bedürfnisse verlangen hier Nahrung? Finden wir das heraus, dann ist jemand eben kein „Idiot“ mehr, sondern jemand, dem im Moment vielleicht von Ängsten geplagt wird oder schlicht ein wenig Empathie benötigt. Vor vielen Jahren bin ich in der Hamburger U-Bahn einmal von jemandem tätlich angegriffen worden, weil mein Fahrrad im Weg stand. Ich habe zu meiner eigenen Überraschung ruhig reagiert und ihm Empathie geschenkt „Hey, was’n los Mann??“ Am Ende hat er mir sein Herz ausgeschüttet. Er hat einen schlechten Tag gehabt, an dem alles schief gelaufen ist, was schief laufen konnte. Da war mein Fahrrad nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Shit happens und ich habe Glück gehabt, den richtigen Riecher gehabt zu haben.
Auch im Geschäftsleben wäre es oft hilfreicher, über Verhalten und eigene Erwartungen zu reden – und nicht über Haltungen oder Wertungen der Person. Wie macht man das? Ganz einfach Sätze nicht mit „Du bist …“ sondern mit „Du hast …“ beginnen. Das wäre ein Anfang.
Aber schauen Sie selbst einmal den Vortrag von Sally Kohn an: