Buchtipp: „Ganz im Gegenteil“

Wer Probleme lösen will, sollte den Problemfokus so schnell wie möglich verlassen, sagen lösungsorientierte Coaches. Das klingt so einfach, ist es aber sehr oft nicht. Denn sonst wären wir ja unsere Probleme sehr schnell los. Matthias Varga von Kibed und Insa Sparrer zeigen in ihrem Buch „Ganz im Gegenteil“ wie man problematische Verstrickungen lösen kann. Querdenken ist angesagt.

„Ein Problem ist gelöst, wenn es verschwindet“, sagte einst der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein. Leicht klingt das und schon fast vermessen. Haben wir uns doch an so manchem Problem so richtig festgebissen oder das Problem an uns. Wie soll das denn plötzlich verschwinden? Die Kurzfassung wäre: Wir ändern einfach mal die Blickrichtung und – siehe da – es ist weg. So ungefähr aber dann doch nicht ganz so einfach ist es beim Probleme lösen, folgt man von Kibed und Sparrer. In jedem Fall ist Querdenken angesagt. Wie man das macht, beschreiben sie in ihrem Buch meisterlich. Dabei arbeiten sie viel mit Bildern, mit Metaphern und mit systemischen Strukturaufstellungen.

Es fängt an beim Neun-Punkte-Problem. Die in je drei Reihen zu einem Rechteck angeordneten neun Punkte sollen mit nur vier Geraden tangiert werden – ohne den Stift abzusetzen. Die Lösung scheint zunächst unmöglich zu sein. Da ist sie aber nur, wenn man den Rahmen nicht erweitert. Verlässt man die Fläche, welche die Punkte vermeintlich umgrenzen, ist die Lösung ganz einfach. Und es geht noch weiter, denn die neun Punkte lassen sich sogar mit nur drei Linien verbinden. Und sogar mit einer geht es! „Ganz im Gegenteil“ beschreibt einleuchtend und mit Humor, wie Querdenken uns hilft, Grenzen des Denkens und damit auch Probleme zu überwinden. In Strukturaufstellungen lassen sich Beziehungen zwischen Problemen, Ressourcen, Zielen und Lösungen darstellen und nachempfinden. Manchmal reichen kleine Veränderungen in den Strukturen aus, um Probleme und Konflikte zu entspannen oder sogar ganz versschwinden zu lassen. Manchmal reicht auch der Wechsel der Perspektive.

Die Lösungsverschreibungen der beiden Autoren sind voll von Reframings wie diesen hier: „Was ist denn das Gute an Ihrem Problem?“ oder: „Was würden Sie verlieren, wenn das Problem gelöst wäre?“ Strukturaufstellungen können auf Papier, mit Figuren oder mit leibhaftigen Menschen durchgeführt werden. Sie erweitern den Blick auf Probleme und Konflikte um ein Vielfaches. Hat man das Buch gelesen, fragt man sich, warum man darauf nicht schon viel früher selbst gekommen ist. Und man versteht warum der Fokus auf vermeintliche Ursachen und Schuld wenig hilfreich ist, um Lösungen und schließlich auch Versöhnung herbeizuführen.

Versöhnung ist nur dann möglich, wenn wir eben das Drama der simplen Täter-Opfer-Kausalistik und die Problemanalyse aufgeben zugunsten einer Erhellung von systemischen Strukturen, Empfindungen, Beziehungen, Hindernissen, Wünschen, Ressourcen und Zielen – und vielleicht auch eines bisher ausgeblendeten Themas. Das ist das, was im Hintergrund weilt und ebenfalls nach Lösung sucht. Nichts ist unmöglich, denn mit Hilfe der Tetralemma-Aufstellung lassen sich sogar Dilemmata auflösen. „Ganz im Gegenteil“ ist ein Buch für Problemlöser und professionelle Konfliktberater und Coaches.

Ein ganz wunderbares Buch.

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