Zwölf Grundregeln für neurowissenschafftlich fundiertes Coaching

Der Psychologe Klaus Grawe hat vor fast zehn Jahren ein bemerkenswertes Buch über „Neuropsychotherapie“ geschrieben. Am Ende des Buches entwickelt er zwölf Grundregeln für eine neurowissenschaftlich fundierte Psychotherapie. Ich habe einmal versucht, diese Grundregeln für das Coaching zu übersetzen und will aufzuzeigen, dass wir dort mit NLP-Methoden und Grundhaltungen sehr gut ankoppeln können.

  1. Schaue immer wieder hinter die Fassade und frage Dich, welche Bedeutung das, was gerade im Coaching geschieht, für die motivationalen Ziele und die Grundbedürfnisse des Klienten hat. Gehe also immer wieder von der expliziten auf die implizite Ebene.
    NLP-Perspektive: Ergründe Motive, Werte und Haltungen hinter dem Verhalten. Nimm wahr, was den Klienten bewegt und finde heraus, was ihm wichtig ist. Sinnspezifische Wahrnehmungen sind dabei stärker als kognitive Konstrukte und Analysen.
  2. Überlege nicht nur jeweils, was du im Coaching tust, sondern beachte auch und vor allem, wie du es tust.
    NLP-Perspektive: Nicht das Abspulen von Formaten hilft, sondern eine respektvolle, wertschätzende und unterstützende Haltung ermöglicht es erst, bestimmte Formate wirken zu lassen. Lass den Klienten dabei immer wieder in Kontakt mit seinen Wahrnehmungen, Gefühlen und Bedürfnissen treten.
  3. Achte immer darauf, dass im Coaching das Bindungsbedürfnis des Klienten aktiviert ist. Achte darauf, dass dein Klient im Coaching eine positive Bindungserfahrung macht.
    NLP-Perspektive: Baue einen echten Rapport auf. Reduziere den Rapport daher nicht auf ein Format, sondern praktiziere ein achtsames Pacing und Leading. (Anmerkung: Klaus Grawe betont, dass die meisten Therapiepatienten als Kind negative Bindungserfahrungen gemacht haben. Das ist natürlich auch für Coachingklienten denkbar, aber nicht unbedingt der Fall.)
  4. Lass den Klienten in jeder Sitzung möglichst viele positive Wahrnehmungen für sein Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle machen. Sorge auch dafür, dass der Klient sich darüber klar ist, was er in der Sitzung erreichen will und was er dazu beitragen kann. Mache ihm Angebote, aber dränge ihn nicht. NLP-Perspektive: Power to the Patient! Kläre Ziele und sei ein Begleiter dorthin. Übersetze Gedanken in Strukturen (z.B. Bodenanker, Time-Line) oder Bilder und Metaphern. Respektiere dabei die Landkarte des Klienten. Erkläre ihm, was du tust.
  5. Stelle immer wieder Situationen her und ergreife jede sich bietende Gelegenheit, den Klienten Wahrnehmungen machen zu lassen, die seinen Selbstwert erhöhen. Arbeite positive Entwicklungen heraus, zeige Interesse an seiner Person, nicht nur an seinem Problem.
    NLP-Perspektive: Bringe den Klienten mit seinen Ressourcen in Kontakt und halte einen guten Rapport.
  6. Schaffe insbesondere bei einem stressbelasteten Klienten immer wieder Gelegenheiten, die es ihm ermöglichen, angenehme Zustände im Coaching zu erleben. Positive Emotionen lindern Stress.
    NLP-Perspektive: Erzeuge immer wieder Moments of Excellence.
  7. Gib jeder Coachingsitzung einen klaren Fokus. Vermeide das Springen zwischen verschiedenen Themen.
    NLP-Perspektive: Clarity is Power! Gestalte den Prozess und halte die Konzentration. Energie folgt der Aufmerksamkeit.
  8. Wann immer du mit dem Klienten an einem Problem arbeitest, das relevant für sein Coachingziel ist, treibe das Geschehen voran zu einem Veränderungsschritt.
    NLP-Perspektive: Turn problems into solutions. Aktiviere Ressourcen und begebe dich mit dem Klienten zusammen auf die Suche nach Lösungen. Beachte dabei, dass hinter jedem Verhalten eine positive Absicht steckt. Ergründe diese Absicht gemeinsam mit dem Klienten und hilf ihm, das momentan problematische Muster durch ein hilfreiches zu ersetzen.
  9. Bringe den Klienten immer wieder in einen Annäherungsmodus (=hin zu anstatt weg von etwas). Aktiviere positive Ziele und Emotionen.
    NLP-Perspektive: Wandle negative Aussagen in positive. Verknüpfe positive Gedanken mit angenehmen sinnlichen Wahrnehmungen. Hilf dem Klienten, positive Assoziationen und einen guten Future Pace zu erleben.
  10. Sorge dafür, dass unmittelbar vor und unmittelbar nach jeder problembehafteten Intervention ein motivationales Ziel aktiviert ist.
    NLP-Perspektive: Ankere positives Erleben und aktiviere es wieder nach einen Problemfokus. Setze den Future Pace vor den Blick in die Vergangenheit.
  11. Sorge dafür, dass in den Coachingsitzungen erzeugte Bahnungen auch im der Lebensrealität Bestand haben. Plane den Transfer in jeder Sitzung.
    NLP-Perspektive: Utilisiere hilfreiche Muster für den Praxistransfer des Klienten. Setze starke Anker, die der Klient später wieder aktivieren kann.
  12. Beharre nicht auf Coachingzielen, die der Klient nicht wirklich verfolgt und führe keine Interventionen durch, für die der Klient nicht wirklich motiviert ist.
    NLP-Perspektive: Jeder hat sein eigenes Bild von Welt. Verschaffe dem Klienten neue Perspektiven in dieser Welt, aber stülpe ihm nicht deine Welt über.

Resumé: Das NLP braucht sich nicht zu verstecken. Es ist sehr kongruent mit dem, was Klaus Grawe als neurowissenschaftlich hilfreiche Form der Therapie betrachtet.

Die Langfassung dieses Beitrags wird voraussichtlich in Ausgabe 6 der Zeitschrift „Praxis Kommunikation“ erscheinen.

Literatur:

Grawe, K. (2006): Neuropsychotherapie. Hogrefe, 448 S.]

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