„Das größte Hindernis zum Erfolg, den du dir in deinem Leben wünschst, ist niemals jemand anderes oder die Umstände, denen du begegnest. Dein größtes Hindernis bist fast immer du,“ schreibt Mark Fritz in seinem Buch The Truth About Getting Things Done. Die Botschaft lautet: Lege dir das richtige Mindset zu, und die Welt wird gut. Die britische Journalistin Laurie Penny nimmt diese Idee gnadenlos auseinander.
Hilft es, wenn wir den späten Kapitalismus durch den Instagram-Filter betrachten, wird er dadurch weniger trostlos, fragt Laurie Penny in ihrem Blog (deutsche Fassung in ZEIT Campus). Was für ein schönes Reframing, denn sie transportiert damit auch gleich die Prämisse, dass der späte Kapitalismus eigentlich nur trostlos ist. Geschenkt. Natürlich ist die Frage erlaubt, ob Yoga, gesundes Essen und positives Denken diese Welt wirklich besser machen, ober ob das alles nur Opium für das Volk ist, wie der immer mal wieder ganz brauchbare Karl Marx das so nett formuliert hat. Zu letzterem tendiert die Autorin offenbar. Und , sie hat ja Recht.
„Krieg, Terror und Armut haben wenig mit Wahrnehmung zu tun.“
Wer sich in die Privatheit rettet, offene Ohren durch geschlossene Augen ersetzt, sich seine Insel der Seligkeit konstruiert und deswegen meint, die Welt sei gut, wird sicher kein Revolutionär. Nur haben die meisten Vertreter dieser Wellness-Gesellschaft auch gar keine Ambitionen, die Welt zu verbessern. Es reicht ihnen vollkommen, die eigene Sicht auf die Welt zu verändern. Erlaubt ist das. Genauso erlabt wie die chronische Opferhaltung, die das System, den Neoliberalismus, die korrupte Politikerkaste und vielleicht sogar auch die Zahnfee für so ziemlich alles Übel dieser Welt verantwortlich zu machen. Die eine Ideologie hebt das Ich über alles, die andere glaubt, das Ich sei alles nichts.
Hm, da haben wir den Salat. Denn beides hilft uns nicht wirklich weiter. Erstere Haltung ist gefährlich, weil sie dem Einzelnen die Illusion vorgaukelt, Realität sei ausschließlich eine Frage der Wahrnehmung. Doch Krieg, Terror und Armut haben reichlich wenig mit Wahrnehmung zu tun, wie Laurie Penny zu Recht feststellt. Aber die Opfer-Haltung ist nicht weniger gefährlich. Sie folgt gebetsmühlenartig dem Glaubenssatz, die Welt werde von einer verschwörerischen Kaste regiert, der wir hilflos ausgeliefert seien. Das ist nicht weit entfernt von der Opfer-Haltung vieler radikaler Gläubiger, die Gott für alles Gute oder Schlechte dieser Welt verantwortlich machen. Es ist die Simplifizierung einer zunehmend komplexer werdenden Welt.
„Solange es mir nicht gelingt, ein inneres Gleichgewicht zu finden, werde ich kaum anderen helfen können.“
Aber zurück zur Wellness-Welt, die von einer übertriebenen Selbstliebe geprägt sei, so Laurie Penny. Was um Himmels Willen spricht denn bitte gegen die Selbstliebe? Nichts, finde ich. Das hier überstrapazierte christliche Ethos des „mir-darf-es-nicht gut-gehen-solange andere leiden“, hilft den Leidenden nicht wirklich weiter. Im Gegenteil: Solange es mir nicht gelingt, ein inneres Gleichgewicht zu finden, werde ich kaum anderen helfen können. Was die scharfsinnige Autorin aber wohl eigentlich meint, ist diese immer mehr um sich greifende Selbstsucht, dieses Frönen des narzisstischen Gefühls „was scheren mich die Flüchtlinge, solange mein Whirlpool nicht funktioniert?“ Nur das hat wenig mit Selbstliebe zu tun. Es ist eine weltvergessene Selbstsucht.
Wie bekommen wir denn nun aber beides zusammen? Wie verhindern wir, dass aus Selbstliebe Selbtsucht wird und aus einem sensiblen, kritischen Geist ein Ideologe, der simplen Weltverschwörungstheorien hinterherläuft? Mein Vorschlag: Bringen wir doch die dahinter liegenden Grundbedürfnisse zusammen. Da ist zum einen das Bedürfnis nach Selbstwert und zum anderen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Man kann sich in seiner Wellness-Welt auf die Dauer zu Tode langweilen. Und man kann sich auf der anderen Seite in seiner Opfer-Haltung auch ins Grab grämen. Beides sind nicht wirklich gesunde Haltungen.
„Dein größtes Hindernis ist der Glaube, du hättest nur die Wahl zwischen Egotrip und Revolution.“
Aber wie wäre es denn, wenn gesunde Menschen mit einer gesunden, positiven Weltsicht sich mit anderen Gleichgesinnten zusammentun, ihren Beitrag zu leisten, um aus dieser Welt einen besseren Planeten zu machen? Ohne Hass und Verschwörungstheorien, aber auch ohne Schönredereien und selbstsüchtige Egotrips. Stattdessen mit viel Engagement, Empathie und einem gehörigen Schuss Spaß.
Und so würde aus Mark Fritz‘ eingangs zitiertem Satz folgende Grundhaltung:
„Das größte Hindernis zum Erfolg, den du dir in deinem Leben wünschst, sind niemals die Umstände, denen du begegnest. Dein größtes Hindernis ist der Glaube, du hättest nur die Wahl zwischen Egotrip und Revolution. Es gibt den dritten Weg: Finde deine innere Balance und arbeite mit anderen zusammen an einer guten Sache. Oder arbeite mit anderen an einer guten Sache und finde darin deine innere Balance.“
So einfach ist das in die dieser komplexen Welt.