Starre Organigramme, Meeting-Terror, Projektplanungs-Exzesse, Auditing-Orgien und dergleichen sind in vielen Unternehmen Alltag. Und das nervt. Immer mehr Menschen befassen sich mit Dingen, die nichts zur Wertschöpfung beitragen, sagt der Managementdenker Lars Vollmer. Das gehört hinweggefegt, sagt er. „Zurück an die Arbeit!“ ist der Titel seines neuen Buches. Ich habe es gelesen.
Der Titel des Buches klingt zunächst nach klassischer Antreiberitis, ist es aber nicht. Der Autor sagt zwar „Ihr sollt mehr arbeiten!“, meint damit aber mehr Zeit für echte, produktive Arbeit und weniger Zeit für das, was er Businesstheater nennt. Businesstheater ist all das, was sich vorn auf der Bühne abspielt. Das ist die Show für das Publikum, das gern den Eindruck hat: Es bewegt sich was! Das sind all die eingefahrenen Routinen und Gewohnheiten, das ist der organisatorische Overkill, den Unternehmen betreiben, um einen Schein von Produktivität am Laufen zu halten. Das würde auch ohne Kunden eine ganze Weile so funktionieren, ohne dass jemand etwas bemerkt. Alle sind ja vollauf beschäftigt. Aber Menschen sollten nicht beschäftigt sein, sondern arbeiten. Denn nur letzteres schafft einen Mehrwert und nur der macht für Unternehmen wirklich Sinn. Und der Mehrwert wird auf der Hinterbühne gemacht, sagt der Autor.
Im 21. Jahrhundert erleben wir eine zunehmende Dynamisierung der Wirtschaft, bedingt durch die technische Entwicklung und durch die Globalisierung. Die Taylorisierung der Unternehmen war das Erfolgsrezept für das 20. Jahrhundert. Jetzt hat es ausgedient. Struktur und Prozesse von Unternehmen halten mit dem Tempo dieser Veränderung oft nicht mehr mit. Und wenn sie es doch versuchen, ersetzen sie die alte starre Struktur durch eine neue, starre Struktur. Das ist höchst kontraproduktiv, im wahrsten Sinne des Wortes. Best Practices war gestern meint Vollmer.
Wer ist schuld an diesem Irrsinn? Die Manager? Die Mitarbeiter? Nein, die veralteten Strukturen sind es, die Menschen daran hindern, ihre Arbeit zu machen. Und Vollmer macht seinem Namen alle Ehre und geht in die Vollen. Er geht auch das klassische Konzept von Personalentwicklung hart an. Es könne nicht darum gehen, Führungskräften Management-Tools zu vermitteln. Unternehmen seien keine Maschinen, die lediglich die richtigen Werkzeuge benötigen. Unternehmen sind dynamische, komplexe soziale Systeme, in denen letztlich nur eins zählt: Der Fokus auf den Markt und auf den Kunden. Menschen müssen daher befähigt werden, Mehrwert zu erzeugen. Dazu braucht es im 21. Jahrhundert keine klassische Arbeitsteilung und keine Tools, sondern Kreativität, Flexibilität und letztlich auch Biss.
Hui, da kommt einem beim Lesen der Blutdruck ganz schön in Gang. Gar nicht langweilig, sondern erfrischend, sportlich, bedenkenswert. Danke, Lars Vollmer für dieses inspirierende Buch! Es sei jedem Manager unters Kopfkissen gelegt.
Vollmer, Lars: Zurück an die Arbeit. Wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden. 1. Auflage 2016.