Deutschland ist raus aus der WM und darf nun staunend beobachten, wie einige Fußball-Startups nach vorn preschen. Die zeigen dem deutschen Team, dass man auch alte Hasen aus dem Rennen kicken kann. Was lernen wir daraus?
Krampf statt Kampf. Irgendwann während des Spiels Deutschland-Japan hatte selbst der TV-Kommentator genug. Er quittierte das Spiel der deutschen Mannschaft mit der Bemerkung „Das ist nicht die Zeitlupe, liebe Zuschauer, nein, das sind reale Bilder.“ Und so kam, was kommen musste: Die Südkoreaner besiegten die zahnlosen Deutschen mit 2:0. Aus der Traum schon in der Gruppenphase! Das hatte sich noch keine deutsche Nationalelf geleistet. Lassen Sie uns doch mal schauen, woran das gelegen haben könnte.
Zugegeben, ich bin kein Fußballexperte. Betrachten Sie daher meine Bemerkungen gern als ein völlig unverbindliches Angebot. Ich speise meine Schlüsse aus meiner Erfahrung als Teamcoach in Unternehmen und Organisationen. Mir sind vor allem fünf Punkte aufgefallen.
Business as Usual
Schon seit dem Herbst 2017 hatte die deutsche Nationalelf kein wirklich gutes Spiel mehr abgeliefert. Anstatt hier eine radikale Fehlerkultur zu etablieren, zog sich die Mannschaft auf ein “das wird schon noch“ zurück. Nun sind Niederlagen keine Schmach, aber wer es versäumt, daraus seine Schlüsse zu ziehen, der schießt wichtige Lernerfahrungen in den Wind. Ein Business as Usual ist spätestens dann fehl am Platze, wenn die Mitbewerber offenbar bessere Leistungen auf den Rasen bringen. Wenn ich feststelle, dass ich nicht mehr Spitzenreiter bin, muss ich den Kurs oder die Strategie ändern.
Keine zugkräftige Vision
Als amtierender Weltmeister bin ich da angekommen, wo viele hinwollen. Die intrinsische Motivation, einen Gipfel zum zweiten Mal zu erklimmen, ist meist niedriger als die Motivation, noch höhere Ziele zu erreichen. Nur gibt es im Fußball kein höheres Ziel als Weltmeister zu werden. Was sollte also die Mannschaft antreiben, den Titel zum zweiten Mal zu holen?
Mangelnde Leidenschaft
Aus einer fehlenden Vision entspringt aber auch keine echte Leidenschaft. Vor allem junge, hoch-motivierte Spieler der U21 holten bei der Nachwuchs-EM den Titel und eine National-Auswahl ohne die Stars von 2014 gewann den Confederation-Cup im letzten Jahr. Eine Mannschaft voller Drive. Das hätte als Lehrstück dienen können, wie man Turniere gewinnen kann. Diese Chance wurde offenbar nicht genutzt. Die Gelegenheit, den Spirit zu übernehmen, wurde vertan.
Zu viel Fokus auf Stars, zu wenig Fokus aufs Team
Die Belgier, die Kroaten und die Dänen, ja selbst die Isländer haben es geschafft, mit einer überschaubaren Zahl echter Spielerstars es den großen Fußballnationen schwer zu machen. Wir wissen aus den Teamforschung, dass ein mittelmäßiges Team, das als Team hervorragend funktioniert, meist bessere Ergebnisse produziert als eine Gruppe von Stars, die aber als Team nur leidlich funktionieren. Insofern halte ich die Personaldiskussionen vor und im Turnier für wenig hilfreich, solange der Flow im Team fehlt.
Fehlende Agilität
Vor allem Teams aus der zweiten Reihe haben gezeigt, wie man mit einer dynamischen Spielweise Kontrolle über das Spiel gewinnen kann. Dynamik vor Struktur, Mut vor Ballbesitz. Interessanterweise waren bei allen Paarungen die Deutschen die dominierende Mannschaft, was Ballbesitz und Abschlüsse angeht. Und dennoch wurden sie von unterlegenen Mexikanern und Japanern gezielt ausgehebelt. Selbst gegen die Schweden tat sich unsere Nationalelf verdammt schwer. Im deutschen Team, aber selbst den Brasilianern hat sich Behäbigkeit breit gemacht. Ballbesitz wird zur Droge und die Junkies auf den Rasen trauen sich kaum, mit ihrem spielerischen Geschick durch die gegnerische Abwehr zu brechen. Sicherheit geht vor. Wirklich?
Angst bremst uns aus, Mut bringt uns voran. Meine Meinung. Aber nach der WM ist vor der WM.