Corona hat uns fest im Griff. Auch die Arbeitswelt und insbesondere die Kliniken und Pflegeeinrichtungen stehen vor besonderen Herausforderungen. Wie können Führungskräfte es schaffen, die Motivation der Mitarbeiter zu erhalten?
Maria ist seit 20 Jahren in der Krankenpflege tätig. Zeiten wie diese hat sie zuvor noch nie erlebt. „Es gab immer mal wieder stressige Phasen, insbesondere während der Grippewellen, oder wenn wir offene Stellen mal eine Zeit nicht besetzen konnten. Aber das jetzt zehrt einfach an den Nerven, das ist grenzwertig“, sagt sie. Corona ist mittlerweile das neue „Normal“ im Klinikalltag, setzt Mitarbeiter wie Führungskräfte unter Dauerstress. Das aber ist kein gesunder Zustand und es braucht dringend Bewältigungsstrategien, die des Stresslevel senken und die Motivation wieder anheben.
Lassen Sie uns diese Situation und ihre Auswege einmal genauer betrachten. In einer durchgeplanten Arbeitswelt sind wir auf Krisen wie diese nicht eingestellt. Sie kommen schlichtweg in den Unternehmensprozessen nicht vor. Krise bedeutet: Vieles funktioniert nicht mehr wie gewohnt. Wir sind aus Routinen herausgerissen und werden vor neue Herausforderungen gestellt, für die es noch keine Lösungen gibt. Von der erhöhten Infektionsgefahr in den Einrichtungen reden wir hier noch gar nicht. Um es mit den Worten der Psychologie zu formulieren: Unser Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle gerät ins Defizit.
Abwehr und Negation sind oft die ersten Reflexe.
Maria formulierte das so: „Wird so schlimm nicht sein, kriegen wir schon hin, war meine erste Reaktion am Beginn der Pandemie.“ Wenn aber dieses „Hinkriegen“ nicht funktioniert, stellen sich Verunsicherung, Ärger, ja oft auch Angst oder gar Panik ein. Stressreaktionen wie Aggression, Flucht oder Erstarrung sind dann typische Symptome dafür, dass unsere Copingstrategien nicht mehr funktionieren. Uns fehlen hilfreiche Muster des Denkens, des Fühlens und des Handelns.
Führungskräften fällt gerade in dieser Zeit eine besondere Verantwortung zu, denn sie müssen das Schiff, dass in stürmischer See auf den Wellen tanzt, jetzt umso umsichtiger lenken und dabei die Mannschaft bei Laune halten und mitnehmen.
Das Konzept der Salutogenese kann nützlich hier sein. Die Salutogenese fragt im Gegensatz zur Pathogenese nicht danach, was nicht funktioniert und uns krank macht, sondern sie fragt danach, was Menschen brauchen, um gesund zu bleiben und um motiviert Herausforderungen zu bewältigen. Wesentlich sind dabei vier Faktoren:
- Verstehen und Erklären:
To Do: Akzeptieren Sie, was ist. Gehen Sie als Führungskraft offen mit den Herausforderungen um. Transparenz mindert die Irritation. Erklären Sie den Mitarbeitern die neue Situation und die nötigen Veränderungen. Gehen Sie darüber auch in den Austausch. Seien Sie offen für Fragen, Zweifel und Ideen.
Not To Do: Probleme und Konflikte negieren, Impulse der Mitarbeiter ignorieren oder gar bekämpfen. - Handhabbarkeit:
To Do: Zeigen Sie gangbare Wege auf. Entwickeln Sie diese gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern. Planen Sie die nächsten Schritte und setzen Sie diese um. Machen Sie weiter mit dem, was funktioniert und ändern Sie das, was nicht funktioniert. Mut zu Neuem und damit auch zu Fehlern brauchen Sie dazu unbedingt. Fehler haben immer Lernpotential.
Not To Do: Langfristige Planungen sind derzeit Tabu. Sie können nicht wissen, wie sich die Krise entwickelt. Unterlassen Sie auch die Suche nach Schuldigen, wenn Dinge einmal nicht gelingen. Suchen Sie besser nach Lösungen. - Sinnhaftigkeit:
To Do: Erklären Sie Sinn und Zweck von Maßnahmen. Welcher Mehrwert ergibt sich daraus? Und in diesem Zusammenhang ist es auch hilfreich, sich gemeinsam mit den Kollegen auf Ihre gemeinsame Mission zu besinnen. Warum tun Sie das, was Sie tun?
Not To Do: Ratlosigkeit oder Angst verbreiten. Denn: Jede schwierige Situation ist eine Herausforderung, die Lernpotenzial hat und für es mindestens eine Lösung gibt. - Soziale Bindungen:
To Do: Den Teamspirit stärken. Wenn Sie die Herausforderungen als gemeinsame Aufgaben begreifen, dann eröffnen Sie für Ihr Team die Option, sich quasi neu zu erfinden. Zusammenwachsen in der Krise heißt dann die Devise. Haben Sie dabei ein offenes Ohr und ein offenes Herz für die Gefühle und Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter. Suchen Sie immer nach gemeinsamen Wegen, die alle gehen können.
Not To Do: Gefühle und Bedürfnisse der Mitarbeiter ignorieren oder einen Konkurrenzkampf anzetteln. Gemeinsam vorwärts geht es nämlich nicht, wenn Menschen gegeneinander arbeiten.
Die gemeinsame und erfolgreiche Bewältigung schwieriger Situationen hat ein enormes Motivationspotenzial, sagen uns die Hirnforscher.
Dabei brauchen Sie und Ihre Mitarbeiter Ideen, Offenheit füreinander und manchmal auch Geduld und einen langen Atem. Nicht alles gingt sofort. Auch das Fallen und Aufstehen gehört auf schwierigen Wegen dazu. So ging es auch Maria: „Es war und ist vieles schwierig. Aber wir sind in der Krise als Team zusammengewachsen, auch und gerade weil unsere Führungskraft uns angehört und einbezogen hat. Und weil wir aufeinander aufpassen. So lässt sich der Stress viel besser aushalten.“
(Dieser Beitrag ist erscheinen in Misericordia, Heft 5/21)